Streit um Finanzierung für Strom vom Meer
Netzfirma Tennet kritisiert hohe Haftungssummen für fehlerhafte Anschlüsse von Windparks. Netzagentur: Beteiligung der privaten Stromkunden ist zu gering
22. Okt. 2012 –
Unternehmen der Windbranche machen Druck auf die Politik, um bessere finanzielle Bedingungen beim Bau von Windparks auf dem Meer herauszuholen. Auch die Bundesnetzagentur weist daraufhin, dass die Beteiligung der Privathaushalte an den Kosten bislang zu gering sei. Würde sich diese Position durchsetzen, stiege der Strompreis für die Verbraucher weiter.
Derzeit geht der Ausbau der Windparks auf Nord- und Ostsee langsamer voran als erhofft. Ein Grund dafür: Der Netzbetreiber Tennet kann die Kabelanschlüsse der Windparks nicht schnell genug fertigstellen. Das niederländische Staatsunternehmen Tennet hat vor Jahren einen großen Teil des deutschen Hochspannungsnetzes gekauft und ist verpflichtet, die Windmühlen auf hoher See mit den Leitungen an Land zu verbinden.
Tennet-Vorstand Lex Hartmann führte die Probleme am Montag unter anderem auf eine ungünstige Regelung der Schadenshaftung zurück. Die Bundesregierung bürde den Unternehmen ein zu hohes Risiko für den Fall auf, dass Windparks nicht rechtzeitig angeschlossen würden. Wenn ein Windpark wegen fehlender Leitung keinen Strom liefern kann, muss Tennet künftig bis zu einer Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr haften. So steht es in einem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung, den der Wirtschaftsausschuss bei seiner Anhörung am Montag diskutierte.
„So scheitert die Energiewende, die Offshore-Energie stirbt“, sagte Hartmann. Seine Begründung: Wegen der hohen Eigenbeteiligung an der Haftung gelinge es Tennet nicht, weiteres Kapital bei externen Investoren zu mobilisieren. Außerdem würden sich die Lieferanten der Netztechnik – Siemens, ABB und Alsthom - mit dem Bau der Leitungen zurückhalten. Ergebnis: Die Offshore-Windenergie gerate zunehmend in Verzug, so Hartmann.
Der Tennet-Manager kritisiert besonders Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Diese hatte sich dafür eingesetzt, die Haftungsregeln zu verschärfen. Umweltministerium und Wirtschaftsministerium stimmten dem Kompromiss zu.
Andere Unternehmen wie Siemens und der Verband der Energiewirtschaft halten die Haftungsregeln ebenfalls für zu hart. Unterstützung erhält Tennet an diesem Punkt auch von der Bundesnetzagentur, die den Leitungsbau im Auftrag des Wirtschaftsministeriums reguliert.
Während Tennet zu stark belastet sei, würden die privaten Stromkunden an Schadensfällen dagegen zu wenig beteiligt, meint die Netzagentur. Laut Gesetzentwurf sollen die Privathaushalte mit 0,25 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde Strom diejenigen Haftungssummen mitfinanzieren, die über die Eigenbeteiligung von Tennet hinausgehen. Für einen mittleren Mieterhaushalt wird dies etwa 5,50 Euro jährlich ausmachen. „Die Deckelung der Umlage auf 0,25 Cent pro Kilowattstunde ist eindeutig zu gering angesetzt“, heißt es in der Stellungnahme der Netzagentur für die Anhörung. Trotz der Kritik gehen das Umweltministerium und das Verbraucherministerium aber nicht mehr davon aus, dass der Gesetzentwurf zugunsten des Netzbetreibers verändert wird.