Streit um Lebensversicherungen hält Schlichter auf Trapp
Weil sie für gekündigte Lebens-Policen zu wenig Geld bekommen, wenden sich Tausende Bürger an den Ombudsmann/ Europäische Kommission plant Schlichtungsstellen für alle Branchen
16. Mai. 2013 –
Tausende Kunden von Lebensversicherungen kämpfen derzeit um ihr Geld. Nachdem sie ihren Vertrag vorzeitig aufgelöst haben, wollen sie sich mit dem Rückzahlungsangebot ihres Versicherers nicht zufrieden geben. „Die Tragweite ist groß“, sagte der Versicherungsombudsmann Günter Hirsch bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2012 seiner Schlichtungsstelle am Donnerstag in Berlin.
Im Juli 2012 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Klausel gekippt, die Kunden bei der Berechnung des Rückkaufwertes ihres Vertrags unangemessen benachteiligte. Seither herrscht Rechtsunsicherheit bei der Berechnung. Zahlreiche Fälle mit dieser Problematik erreichten Hirschs Beschwerdestelle beim Gesamtverband der Versicherungswirtschaft seit Dezember 2012. Bei einem Konflikt mit einem Versicherungsunternehmen können sich Kunden an den Schlichter wenden.
Für die betroffenen Lebensversicherungskunden setzt sich Hirsch nun dafür ein, dass diese einen Mindestbetrag zurückbekommen. Zuletzt hat das auch meist funktioniert. „Die Unternehmen sind in aller Regel unseren Empfehlungen gefolgt“, erläutert der Ombudsmann. Verträge zwischen 2001 und 2007 seien betroffen.
Insgesamt 4.729 Beschwerden über Lebensversicherungsunternehmen landeten bei Streitschlichter Hirsch im ersten Quartal 2013 auf dem Tisch. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 4.663.
Auch eine weitere Entscheidung des BGH aus dem vergangenen Jahr zum Stornoabzug führte dazu, dass sich Hirsch nun um vergleichsweise viele Fälle kümmern muss. Seit April 2013 sinken die Zahlen aber wieder.
17.263 Verbraucherbeschwerden erreichten die Schlichtungsstelle im vergangenen Jahr. In sämtlichen Bereichen – ob nun bei Gebäude-, Rechtsschutz-, Berufsunfähigkeit- oder Unfallpolicen – ist die Zahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen. Einzig bei den Kfz-Haftpflichtversicherungen gab es etwas mehr Beschwerden.
Den Ombudsmann einzuschalten, lohnt sich durchaus. Zum einen bekommen die Bürger verständliche Auskünfte ohne komplizierten juristischen Fachjargon. Zum anderen kommen viele Beschwerdeführer aus dem Verfahren mit mehr heraus, als von der Versicherung ursprünglich vorgeschlagen. In 18,5 Prozent aller Fälle konnte der Streitschlichter 2012 für Abhilfe sorgen. Etwa fünf Prozent der Fälle liefen auf einen Vergleich heraus.
Ombudsstellen gibt es in Deutschland nicht nur für die Versicherungsbranche. Bei Streit im Bahn-, Bus- oder Schiffsverkehr hilft die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp). Bei Ärger auf Flugreisen können sich Bürger ab dem 1. November 2013 an eine unabhängige Schlichtungsstelle wenden.
Künftig wird es für sämtliche Verbraucherstreitigkeiten Schlichtungsstellen geben. „Die Ombudsmann-Landschaft wird sich verändern“, so Hirsch. Die Europäische Kommission habe vor Kurzem eine Richtlinie verabschiedet, nach der sämtliche Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren ein System mit Schlichtungsstellen für alle Branchen einrichten müssten. Derzeit sei die Kommission auch dabei, eine Online-Plattform zu errichten, auf der EU-Bürger Hilfe bei Streitigkeiten rund um Online-Geschäfte bekommen.