Stromkunden zahlen zu viel
Verbraucherzentralen rufen zum Anbieterwechsel auf
03. Aug. 2010 –
Die großen Energiekonzerne geben die Preissenkungen auf dem Strommarkt nicht an ihre Kunden weiter. Die Haushalte in Deutschland zahlen deshalb in diesem Jahr eine Milliarde Euro mehr als nötig für ihre Elektrizität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Grünen in Auftrag gegeben haben. „Die stark gesunkenen Einkaufspreise an der Börse müssen endlich von den Energieversorgern an die Kunden weiter gegeben werden“, verlangt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn.
Der Autor der Studie, der Energiewirtschaftler Gunnar Harm, hat sich die Entwicklung der Preise an der Leipziger Strombörse angeschaut. Seit 2008 sind die Ankaufkosten dort Harms zufolge um 30 bis 40 Prozent gesunken. Gewerbe- und Industriekunden können sich seither über teils Preissenkungen von teilweise mehr als zehn Prozent freuen. Dagegen stieg der Strompreis für die private Kundschaft um sieben Prozent an. Diese Erhöhungen „sind nnicht mit gestiegenen Beschaffungskosten und nur sehr begrenzt mit der gestiegenen Umlage für die Einspeisung erneuerbarer Energien (EEG) zu begründen“, stellt der Experte fest.
Konkret hat sich Harms das Unternehmen RWE vorgeknöpft, dessen Vertriebsgesellschaft zum 1. August den Strompreis für rund zwei Millionen Kunden um 7,3 Prozent angehoben hat. Die Begründungen dafür seien nicht gerechtfertigt, schreibt der Fachmann. Angemessen wäre eine Preissenkung um knapp einen Cent pro Kilowattstunden gewesen. Stattdessen erziele das Unternehmen einen Mehrerlös von 100 Millionen Euro. RWE weist diesen Vorwurf zurück. Die Elektrizität werde über Zeiträume von bis zu drei Jahren beschafft, sagt ein Sprecher des Konzerns. Daher seien im aktuellen Preis noch die hohen Stromkosten des Jahres 2007 enthalten. Außerdem verweist RWE auf die gestiegene Abgabe für den Ökostrom.
Wie die einzelnen Unternehmen kalkulieren, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. So lassen sich die Vorwürfe auch nicht überprüfen. Höhn sieht in der Entwicklung den Beleg dafür, dass der Wettbewerb immer noch nicht richtig funktioniert. „Dringend muss die Marktmacht von RWE und E.on gebrochen werden“, fordert die Politikerin. Der Gesetzgeber müsse die Unternehmen zum Verkauf von Kraftwerken anhalten. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wirft Harm dagegen vor, ein falsches Bild des Marktes zu zeichnen und verweist auf 1.100 Stromunternehmen in Deutschland. „Keiner kann es sich erlauben, überhöhte Preise zu verlangen“, versichert BDEW-Chefin Hildegard Müller.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sieht vor allem die Privathaushalte in der Pflicht. „Wenn die Kunden nicht in großem Stile weglaufen, kann ich meine Preise beibehalten“, erläutert vzbv-Experte Holger Krawinkel die Strategie der Anbieter. Genügend günstigere Stromlieferanten gebe es, so dass ein Haushalt zwischen 50 und 100 Euro im Jahr sparen könne.
Der vzbv ruft zum Wechsel des Stromanbieters auf, wenn dieser ungerechtfertigt die Preise anhebt. Verbands-Chef Gerd Billen warnt jedoch vor unseriösen Anbietern auf dem Markt. Die Kunden sollten keine Vorkasse oder Kaution leisten. Für ratsam hält Billen auch eine zwölfmonatige Preisgarantie beim neuen Lieferanten. Der Wechsel selbst ist einfach. Es muss kein neuer Zähler installiert werden und die Lieferung der Elektrizität ist auch gewährleistet, wenn der neue Versorger wieder vom Markt verschwindet. Allerdings erschwert eine wachsende Zahl unterschiedliche Tarife die Auswahl.