Subvention mit der Gießkanne
Kommentar von Hannes Koch
25. Jun. 2009 –
Im ersten Augenblick ist man geneigt zu sagen: Lebensmittel und Wohnung müssen erschwinglich bleiben. Denn sie gehören zum Grundbedarf eines jeden Bürgers. Deshalb ist es richtig, dass der Staat solche Güter und Dienstleistungen nur mit dem geringen Satz der Mehrwertsteuer von sieben Prozent belastet. Auf den zweiten Blick allerdings erscheint es nicht so abwegig, den niedrigen Satz der Mehrwertsteuer abzuschaffen und ihn auf die normalen 19 Prozent zu erhöhen.
Mit der Debatte über die Mehrwertsteuer hat nun das politische Spiel begonnen, das uns bis zur Bundestagswahl im September und darüber hinaus begleiten wird. Die Parteien testen ihre Ideen, um die Punkte des geringsten Widerstandes zu definieren. Die Löcher in den öffentlichen Haushalten, die die Wirtschaftskrise reißt, sind so groß, dass sie ohne die Erhöhung von Steuern nicht zu schließen sind.
Soll man deshalb einige Milliarden mit der Mehrwertsteuer erwirtschaften? Dafür spricht, dass sich die Regelungen im Laufe der Jahre zu einem kaum noch zu begründenden Durcheinander entwickelt haben. Die Logik der Steuererhebung folgte der Machtverteilung unter den Lobbyorganisationen. Handgeschriebene Noten, Briefmarken, Rollstühle, Sägespäne, Gemälde, Münzen, Wildpferde und Maulesel – diese und hundert andere Waren braucht man eigentlich nicht zu subventionieren. Sinnvolle soziale Effekte wie die Förderung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen werden dadurch nicht erzielt.
Bei Lebensmitteln und anderen Grundbedarfsartikeln kann die Sache anders aussehen. Auch dort allerdings sind die sozialen Argumente nicht zwingend. Schließlich kaufen alle Bürger Milch, Butter und Fleisch – egal, welcher Einkommensgruppe sie angehören. Der niedrige Mehrwertsteuersatz stellt eine Subvention mit der Gießkanne dar.
Die Anhebung des niedrigen Satzes wäre deshalb in Ordnung – unter einer Bedingung. Die Menschen, die tatsächlich Schwierigkeiten haben, ihren Grundbedarf zu decken, bedürften zusätzlicher Unterstützung. Dies trifft sich mit der Forderung, die die Sozialverbände seit langem erheben: Der Staat stellt armen Leuten zu wenig Geld zur Verfügung. Die Sätze für Hartz IV und andere Transferleistungen müssen erhöht werden. Schon heute gewährleisten sie nicht mehr, dass jeder das zum Leben Notwendige erhält.