Tabubruch nötig

Kommentar

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

08. Feb. 2010 –

Wie viel kostet ein würdevolles Leben? Dies wird niemand genau ermitteln können. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht heute darüber urteilt, ob die Regelsätze für die Grundsicherung angemessen ermittelt werden, bleibt die Frage nach einer Summe in Euro und Cent unbeantwortet. Doch die Methode der Berechnung darf getrost in Frage gestellt werden. Bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II hat der Gesetzgeber willkürlich gehandelt. Erst wurde ein Betrag festgelegt, dann eine Formel zur Berechnung gesucht.

 

Jeder Bürger hat in einer Notlage das Recht auf eine ausreichende Unterstützung. Insbesondere die Kinder in den Familien der Langzeitarbeitslosen sollten einen ausreichenden staatlichen Schutzschirm erhalten, damit ihnen nicht von Anfang an eine Armutskarriere droht. Gerade in diesem Punkt wird der heutige Richterspruch spannend.

 

Mit einer einfachen Erhöhung der Regelsätze ist allerdings keines der drei gravierenden Probleme gelöst. Die staatliche Unterstützung muss bezahlbar bleiben, weiterhin Anreize zu einer intensiven Jobsuche setzen und die erreichen, die es nötig haben. Die Debatte darüber wird sicher heftig, denn es geht auch darum, neue Wege zu beschreiten. Dies gilt insbesondere für die Leistungen, die den Kindern zugute kommen sollen. In vielen Problemfamilien würde eine höhere Geldzahlung in der allgemeinen Familienkasse aufgehen, die Lage der Söhne und Töchter aber nicht wesentlich verbessern. Ein Tabubruch wäre an diesem Punkt wünschenswert, in dem zusätzliche Hilfen für die Kinder durch Sachleistungen oder bessere Rahmenbedingungen für die Erziehung gewährt werden. Höchst kontroverse Debatten darüber sind absehbar.

 

Eine Lösung muss auch für den notwendigen Abstand zwischen der Grundsicherung und niedrigen Löhnen gefunden werden. Wenn die Verfassungsrichter in letzter Konsequenz des Urteils eine höhere Untergrenze bei den Hilfsleistungen einziehen, bleibt eigentlich nur ein vernünftiger Weg offen. Dann müssen Mindestlöhne dafür sorgen, dass das Lohnniveau bei schlecht bezahlten Jobs nicht immer weiter in Richtung der Grundsicherung gedrückt wird.

 

 

 

« Zurück | Nachrichten »