Taschen zu in Davos

Noch mehr Geld für die Euro-Krise. Vor dem Weltwirtschaftsforum von Davos verlangt das der IWF. Merkel will nicht

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Von Hannes Koch

23. Jan. 2012 –

Klaus Schwab ist enttäuscht und genervt. Seit 42 Jahren versucht er „den Zustand der Welt zu verbessern“. Aber der Kapitalismus widersetzt sich ihm in jüngster Zeit hartnäckig. Das Wirtschaftssystem will sich nicht so zum Guten wenden lassen, wie Schwab es gerne hätte.


Schwab, 73, aus der Spielestadt Ravensburg stammend, leitet das Weltwirtschaftsforum von Davos, den größten Manager- und Politikertreff, den die Welt zu bieten hat. Ab nächstem Mittwoch wird es wieder voll in dem Schweizer Skiort am Dreiländereck zu Österreich und Italien. 40 Regierungs- und Staatschefs haben sich angesagt, hunderte Vorstandsvorsitzende transnationaler Firmen, tausende Personen Fußvolk.


Gleich am ersten Tag um neun Uhr geht es los mit einer Diskussion zur Kritik am Kapitalismus. Schwab sagt, warum: „Das kapitalistische System passt in seiner heutigen Form nicht mehr in die Welt.“ Seit dem Beginn der Krise seien vier Jahre vergangen, doch man habe „die Lehren aus dem Fehlverhalten immer noch nicht gezogen“.


Einerseits plädiert Schwab für die stärkere politische Regulierung der Finanzmärkte. Andererseits appelliert er an das Verantwortungsbewusstsein der globalen Wirtschaftselite – auch der gut 1.000 Unternehmen, die das Weltwirtschaftsforum (WEF) finanzieren. Die Manager sollten wieder zu einer Marktwirtschaft mit „Selbstverantwortung“ und „sozialer Verpflichtung“ zurückkehren.


Mit diesen Fragen wird die Politprominenz bei ihren schnellen Besuchen in Davos höchstens nebenbei in Berührung kommen. Für US-Finanzminister Timothy Geithner, den Präsidenten der Weltbank, Robert Zoellick, Christine Lagarde als Chefin des Internationalen Währungsfonds und Kanzlerin Angela Merkel geht es vor allem darum, die Schuldenkrise in Europa zu managen. In ihrer Eröffnungsrede am Mittwoch wird Merkel dazu ein paar Worte sagen.


Denn die Kollegen erwarten vor allem von Deutschland die Bereitschaft, mehr Geld zur Lösung der Krise bereitzustellen. Es geht um rund 400 Milliarden Euro zusätzlich, die Deutschland und die anderen EU-Staaten aufbringen sollen. In diesem Sinne ist die Ankündigung von IWF-Chefin Lagarde von vergangener Woche zu verstehen, die Krisenmittel des Fonds um etwa 400 Milliarden Euro aufzustocken. Dies sei etwa die Hälfte dessen, was nach Berechnungen des Fonds gebraucht werde, um schwache Euro-Staaten abzusichern.


Im Zuge dieser Debatte hat auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti angeregt, die europäischen Rettungsfonds auszuweiten. Aus Berlin kommen dazu einstweilen negative Signale. Finanzminister Wolfgang Schäuble, der am Freitag in Davos ist, hat erst einmal „Nein“ gesagt.


Unter dem Namen „Global Issues Group“, einem Gremium des WEF, haben die Chefs von IWF, Weltbank, Internationaler Arbeitsorganisation und anderen außerdem darauf hingewiesen, dass Sparen nicht reicht, um die Krise zu bewältigen. Es seien auch Investitionen in Wachstum nötig. Gegenüber der taz sagte Philipp Jennings, der Chef der weltweiten Dienstleistungsgewerkschaft UNI, Europa solle sich ein Beispiel daran nehmen, wie Deutschland die Wiedervereinigung gemeistert habe. Hunderte Milliarden Euro seien in Ostdeutschland investiert worden, um die Infrastruktur zu modernisieren.


Von diesen politischen Debatten abgesehen, geht es für die meisten Besucher des Forums allerdings darum, Kontakte zu pflegen und Geschäfte zu machen. Wie für die Deutsche Börse AG: Das Unternehmen aus Frankfurt am Main möchte mit der New Yorker Börse NYSE fusionieren, aber EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia ist wegen der großen Machtzusammenballung skeptisch. Nun will die Frankfurter Börse das Treffen in Davos nutzen, um Lobbying für ihren Plan zu betreiben.


Protest in Davos

Rund 200 Leute protestierten am Samstag in der Schweizer Hauptstadt Bern gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF). Weil die Demonstration nicht angemeldet gewesen sei, kam es laut Polizeiangaben zu einigen Festnahmen und etwa 100 Anzeigen wegen Landfriedensbruchs. In der Nähe des Bahnhofs von Davos bauen Aktivisten der Occupy-Bewegung derweil ein kleines Lager mit Iglus aus Schnee auf. In der Regel sind die Sicherheitsmaßnahmen in dem Schweizer Skiort so streng, dass Demonstranten das Weltwirtschaftsforum nicht stören können. WEF-Chef Klaus Schwab sagte, Vertreter der Occupy-Bewegung habe er nicht einladen können, weil er keinen Ansprechpartner gefunden habe. Die Schweizer Occupy-Sektion schickte ihm daraufhin einen Brief mit der Ansage, gerne zum WEF kommen zu wollen.

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