Teure Würstchen

Essen zum Fest kostet deutlich mehr. Verbraucherzentrale fordert Preisüberwachung

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Von Björn Hartmann

12. Dez. 2023 –

Für viele ist es ein Klassiker zu Weihnachten: Kartoffelsalat mit Würstchen. Andere setzen alle Jahr wieder auf Rinderrouladen mit Rotkohl und Klößen. Auch dieses Jahr wird das Essen teuer – noch teurer als im vergangenen Jahr. Denn die Preise für Lebensmittel sind wieder gestiegen. Im Vergleich zu den Feiertagen 2021 beträgt das Plus sogar satte 27,3 Prozent.

Dabei ist die Inflationsrate in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Im November lagen die Preise 3,2 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Das bedeutet immer noch, dass die Verbraucherpreise im Schnitt gestiegen sind, nur nicht mehr so stark wie etwa vor einem Jahr. Im November 2022 lag die Rate bei 8,8 Prozent. Das Statistische Bundesamt ermittelt die Inflation anhand der Preise von rund 700 Produkten, wobei nicht jedes Produkt in gleichem Maße eingeht. So ist der Anteil von Eiern mit 0,204 Prozent deutlich geringer als der von Strom mit 2,45 Prozent. So wollen die Statistiker die Realität möglichst gut abbilden.

Wenn der Preis für Strom oder Energie sinkt, kann auch die allgemeine Inflationsrate zurückgehen, und überdecken, das andere Produkte teurer geworden sind. So haben viele am Ende des Monats weniger Geld auf dem Konto als noch vor Jahresfrist, obwohl sie ihr Kaufverhalten kaum geändert haben. So läuft es seit Monaten. Vor allem Lebensmittel sind deutlich teurer geworden als andere Produkte. Die Statistiker haben berechnet, dass Olivenöl, Mehl, Brot und Konserven insgesamt binnen Jahresfrist 5,5 Prozent mehr kosten. Im Vergleich zu 2021 sind es sogar 27,3 Prozent.

Wer also Kartoffelsalat mit Würstchen an Weihnachten essen möchte, muss für Würste aus der Dose 13,4 Prozent mehr bezahlen als vor einem Jahr. Für Kartoffeln werden 5,7 Prozent mehr verlangt. Gewürzgurken kosten 8,5 Prozent mehr. Bleibt die Frage nach der Soße: Mayonnaise (plus 10,7 Prozent) oder Essig/Öl (Sonnenblumenöl: minus 17,2 Prozent).

Ähnlich sieht es bei Rouladen mit Rotkohl und Klößen aus. Während Rindfleisch nur zwei Prozent mehr kostet, müssen für Klöße 11,3 Prozent und für Kohl 9,8 Prozent mehr ausgegeben werden. Je nach Region gibt es noch Apfelmus dazu: Wer es nicht selbst macht, gibt 17,7 Prozent mehr aus als 2022. in den vergangenen zwei Jahren legte alles deutlich zweistellig zu. Essen, so sieht es aus, wird teurer. Oder vielleicht doch lieber Raclette? Schnittkäse ist binnen Jahresfrist um 4,2 Prozent günstiger geworden. Er kostet aber 35,8 Prozent mehr als Ende 2021.

Warum sind gerade Lebensmittel deutlich teurer geworden? „Die Gründe dafür sind vielfältig“, sagt Silvia Monetti, Leiterin des Teams Ernährungsarmut bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie nennt gestiegene Kosten für Energie und Importgüter, Arbeitskräftemangel und höhere Personalkosten, den Klimawandel und Ernteausfälle. Und dann sind da „aber auch versteckte Preiserhöhungen sowie Mitnahmeeffekte durch Unternehmen in der Nahrungsmittelbranche“.

Der Vorwurf: Die Hersteller und Händler nutzen die allgemeine Preissteigerung, um hier und da extra etwas aufzuschlagen und so ihre Einnahmen zu erhöhen. Nahrungsmittel seien seit März der Haupttreiber der Inflation. Die Verbraucherzentrale fordert eine Stelle, die Lebensmittelpreise überwacht. „Die Untersuchung von auffälligen, nicht nachvollziehbaren Verbraucherpreisen konkreter Produkte und Marken ist überfällig“, sagt Monetti. Sie fordert, nicht nur Sonderangebote, sondern auch Preiserhöhungen sollten klar erkennbar werden – am Regal und in der Werbung.

Im vergangenen Jahr hat Deutschland mit 6,9 Prozent die höchste Preissteigerung seit 1973, dem Jahr der Ölkrise, erlebt (7,1 Prozent). Vor allem die Energiepreise stiegen dramatisch, unter anderem weil Deutschland kein Gas mehr aus Russland bekam – eine Folge des Ukraine-Kriegs, den Russland begonnen hatte. Die Europäische Zentralbank steuerte gegen und erhöhte in mehreren Schritten kräftig die Zinsen von null Prozent auf zurzeit 4,5 Prozent.

Der Mechanismus funktioniert sehr vereinfacht so: Wenn Kredite teurer werden, nehmen Firmen und Menschen weniger auf und geben auch weniger aus. Weil Produkte weniger nachgefragt werden, senken Hersteller und Händler die Preise, um doch noch zu verkaufen. Ohnehin haben sich viele schon angesichts der hohen Preise beim Kauf zurückgehalten. Denn Löhne und Gehälter stiegen erst verzögert. Und für manche gab es bisher kaum mehr Geld.

Allerdings ist für die EZB nicht die deutsche Inflationsrate maßgeblich, sondern die der Euro-Zone. Und die betrug im November 2,4 Prozent. Sie kommt jenen zwei Prozent schon nah, die die Notenbank als langfristiges Ziel hat. Erste Finanzexperten hoffen auf eine Zinssenkung im nächsten Frühjahr, was angesichts der hohen Inflation in Deutschland gefährlich wäre. Konjunkturexperten etwa vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erwarten für Deutschland erst 2025 wieder niedrigere Inflationsraten.

Und nun? Abwarten und Tee (plus 3,7 Prozent binnen Jahresfrist) trinken? Oder vielleicht Plätzchen backen. Butter immerhin ist fast 25 Prozent günstiger als im November 2022, Weizenmehl 1,2 Prozent. Eier kosten nur 2,1 Prozent mehr. Und Zucker? Plus 16,9 Prozent. Seit November 2022 ist er sogar um 72,3 Prozent teurer geworden und führt die Inflationsliste mit Abstand vor Fertigkeksen und Olivenöl an. Vielleicht ein Grund, etwas weniger zu nehmen oder anders zu süßen.

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