Teures Nachspiel

Die Winterschäden gehen in die Milliarden

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Von Wolfgang Mulke

22. Feb. 2010 –

Eine Münchner Passantin hatte gleich doppeltes Pech. Erst verunglückte sie auf einem glatten Gehweg, dann gab ihr ein Münchner Gericht auch noch zur Hälfte die Schuld daran. Dabei hatte der Eigentümer des Grundstücks den Gehweg nicht ausreichend gestreut. Die Richter meinten jedoch, dass ein erfahrener Passant genügend Vorsicht an den Tag legen kann, um einen Sturz zu vermeiden.


Auf die Justiz kommt wohl nach diesem Winter und zahlreichen Knochenbrüchen eine Menge Arbeit zu. Denn so einfach wie es scheint, ist die Rechtslage nicht. Grundsätzlich müssen Hausbesitzer die Wege bei Eis und Schnee sichern. Bricht sich ein Passant den Arm, weil der Weg nicht geräumt wurde, können Ansprüche geltend gemacht werden. Dafür tritt im Zweifel die Grundbesitzerhaftpflichtversicherung ein. Wie viele Verletzungen aufgrund der schlecht geräumten Straßen und Wege entstanden sind, weiß derzeit noch niemand. Die Winterbilanz des Sturzes steht noch aus. Für die Versicherungen sind die letzten Monate auch an anderer Stelle teuer geworden. Für die Versicherungen sind die letzten Monate auch an anderer
Stelle teuer geworden. "Wir gehen derzeit von 55.000 zusätzlichen Schadenfälle mit einer
Gesamtsumme von 230 Millionen Euro aus", sagt Christian Lübke, Sprecher des
Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV).


Im Vergleich zu den Straßenschäden durch den Dauerfrost ist dieser Aufwand noch mäßig. Überall hat das Eis Löcher in den Asphalt gerissen. Denn die Verkehrswege sind längst nicht so stabil gebaut wie es oft aussieht. Durch den Verschleiß entstehen Risse im Belag. Dadurch dringt Wasser in die Fahrbahn ein. Gefroren dehnt es sich aus und entwickelt so eine enorme Kraft. Teile des Asphalts werden regelrecht aus der Fahrbahn gesprengt. Das Ergebnis lernen Autofahrer wieder einmal kennen. Manche kommunale Straße ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Nach Zahlen des Städte- und Gemeindebundes (DStGB) muss eine mittelgroße Stadt wie Lübeck allein 14.000 Löcher wieder auffüllen. Die Kommunen rechnen für ganz Deutschland mit einem Milliardenaufwand.


Doch niemand weiß, wer die Reparaturen bezahlen wird. Der Städtebund zuckt mit den Schultern und verweist auf die leeren Kassen der Kämmerer. Der Bund müsse die Kosten übernehmen, verlangt DStGB-Sprecher Uwe Zimmermann, „wenn die Mittel nicht bereit gestellt werden, bleiben die Schäden unbeseitigt.“ Die Bundesregierung will da nicht mitspielen. „Alle sind in ihrem Zuständigkeitsbereich gefordert“, wiegelt das Bundesverkehrsministerium die Forderung der Kommunen ab. Der Bund will sich nur um die Autobahnen und Bundestrassen kümmern. Der Ausgang des Streits ist offen. Mitte April wollen die zuständigen Ministerien aus Bund und Ländern in Bremen zusammenkommen, eine Winterbilanz ziehen und das weitere Vorgehen beraten.


Die vielen Schäden sind auch ein Alarmzeichen dafür, dass in den vergangenen Jahren zu wenig in den Erhalt des Wegenetzes investiert wurde. „Angeschlagene Straßen verschleißen schneller“, erläutert der Sprecher des Bauindustrieverbands, Heiko Stiepelmann. Eigentlich könnte sich die Branche nun auf eine Sonderkonjunktur einstellen. Doch die Bauwirtschaft ist skeptisch und fürchtet, dass im Gegenzug andere Bauinvestitionen gestrichen werden könnten.



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