Tiere sollen weniger Antibiotika bekommen

Gesetz soll Medikamentenverbrauch eindämmen / Stichprobe in Supermärkten zeigt häufige Belastung von Geflügel

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Von Wolfgang Mulke

09. Jan. 2012 –

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht eindämmen. Nur bei der Behandlung von Tierkrankheiten sollen Landwirte künftig gezielt Medikamente anwenden dürfen. Die Ministerin will nun per Gesetz einen strengeren Umgang mit den Arzneien durchsetzen. „Die Anwendung von Antibiotika soll auf ein Minimum beschränkt werden“, kündigt Aigner an.


Der Gesetzentwurf sieht strengere Kontrollen der Zuchtbetriebe vor. Die dafür zuständigen Landesbehörden sollen einen erweiterten Zugriff auf die erfassten Abgabemengen an Arzneien erhalten. Die Tierärzte müssen den Ländern auf Anfrage alle Daten zur Anwendung von Antibiotika liefern. Zudem sollen Antibiotika, die für die Behandlung von Menschen verwendet werden, nur noch unter besonderen Voraussetzungen an Tiere verabreicht werden dürfen. Schließlich will die Bundesregierung mehr Transparenz schaffen und die Daten über in Deutschland verabreichte Tierarzneien ab Mitte diesen Jahres veröffentlichen. Anhand der Zahlen soll auch deutlich werden, in welchen Regionen die Landwirte besonders schnell zur Pillendose greifen.


Bislang verabreichen Zuchtbetriebe nach Ansicht von Kritikern zu schnell zu viele Arzneien an Hühner oder Rinder. Die Massenanwendung hat gravierende Folgen für die Verbraucher. Ein Testkauf des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in einer Reihe von Supermärkten in fünf Großstädten ergab, dass elf von 20 gekauften Fleischstücken mit Keimen belastet waren, die für den Menschen potenziell gefährlich sind.


Fündig wurde der Verband bei der Suche nach dem ESBL-Keim, in zwei Proben fanden sich auch den MRSA-Keime. „Die Mengen waren erheblich“, sagt BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. Selbst wenn die Bakterien beim Kochen zerstört werden, können sie die Gesundheit gefährden. So haften sie beispielsweise auf den Schneidebrettern, auf denen das Fleisch zuvor zurecht gemacht wurde. Von dort aus können sie auf das nächste Lebensmittel übergehen, das auf der Unterlage bearbeitet wird.


Die Keime entstehen durch den Masseneinsatz von Antibiotika in der Tierhaltung. ESBL steht für Extended Spectrum Beta-Lactamase, MRSA für Methicillin-resistente Staphylococcus aureus. Die Bakterien sind gegen Antibiotika resistent. Damit wird die Behandlung von menschlichen Krankheiten mittels Antibiotika erschwert oder sogar verhindert. Besonders gefährdet sind Kinder, Ältere oder Schwangere. Bei besonders anfälligen Verbrauchern kann die Keimbelastung zu schweren Krankheiten bis hin zum Tode führen. Laut BUND sterben in Deutschland jährlich rund 1.500 Menschen an den Folgen nicht mehr wirkender Arzneitherapien durch solche Resistenzen.


Der Verband hat die die Proben in Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg und Stuttgart gekauft. Die Testkunden sammelten bei Edeka, Aldi, Metro, Lidl, Rewe, Netto und Penny Geflügelangebote ein. Im Einkaufskorb landeten Hähnchenschenkel, Brustfleisch, Flügel und Frikassehuhn der Hersteller Wiesenhof, Stolle, Sprehe und Rothkötter. Der BUND räumt ein, dass die Untersuchung nicht repräsentativ ist. Allerdings hatten zurückliegende Studien bereits eine hohe Keimbelastung des Fleisches oder einen großzügigen Einsatz von Antibiotika in der Aufzucht der Tiere gezeigt. In Nordrhein-Westfalen belegt eine Untersuchung die Verwendung der Medikamente bei 96 Prozent der Masthühnchen.


 




 

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