Über Gebühr Fragen

Eigentlich soll die PKW-Maut Anfang 2016 kommen. CSU-Chef Horst Seehofer hat von ihrer Einführung den Fortbestand der Koalition in Berlin abhängig gemacht. Doch das Modell lasse sich nicht durchsetzen, erklärt nun der Wissenschaftliche Dienst des Bundesta

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Von Hanna Gersmann

03. Aug. 2014 –

Für CSU-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt ist es ein herber Schlag. Die PKW-Maut verstößt in der von ihm geplanten Fassung gegen Europarecht. Das schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Die Juristen kommen in einem 23-seitigen Gutachten zu dem Schluss, dass Dobrindts Konzept gleich mehrfach zu einer "mittelbaren Diskriminierung von Unionsbürgern" führen würde.


Anfang Juli hatte Dobrindt die Eckpunkte für die Maut vorgestellt, die auf Autobahnen, aber auch allen anderen Straßen gelten soll. Sie soll ab 2016 in Form einer Vignette kommen, die an der Windschutzscheibe klebt. Hiesige Autobesitzer sollen dafür voll über die Kfz-Steuer entlastet werden. Die Zahlungen ausländischer Fahrer sollen indes jedes Jahr 600 Millionen Euro einbringen – für die Infrastruktur.


Der Plan ist so umstritten wie kaum ein anderes Vorhaben der Regierung derzeit. Das Modell orientiere sich nicht an der Länge der zurückgelegten Wege und bringe ökologisch nichts, erklärte die Chefin des Umweltbundesamtes Maria Krautzberger. Vor allem aber kracht es innerhalb der schwarz-roten Reihen. Der Verwaltungsaufwand: zu hoch, die Einnahmen: zu gering. Das kritisieren CDUler wie SPDler. CSU-Politiker in den bayerischen Grenzregion fürchten indes Einbußen beim Tourismus. Erst vor wenigen Tagen sah sich dann CSU-Chef Horst Seehofer bemüßigt, den Fortbestand der schwarz-roten Koalition in Berlin von der Maut abhängig zu machen. Mit ihr hatte er letztes Jahr Wahlkampf gemacht.


Ob die Dobrindtsche Maut-Variante mit EU-Recht vereinbar ist, war von Anfang offen. Der EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat die Bundesregierung bereits Ende Juni gewarnt. Es sei ein Prinzip des EU-Vertrags, andere EU-Bürger nicht zu diskriminieren, schrieb er damals in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Und: „Die Kommission überwacht aktiv, ob europäische Mautsysteme mit diesen gemeinsam vereinbarten Grundsätzen und Regeln übereinstimmen.“


Der Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags ist nun eindeutig: „Unvereinbar mit Europarecht“. Dobrindt lies dessen Expertise am Sonntag zwar zurückweisen. Einer seiner Sprecher machte „fachliche und inhaltliche Fehler“ aus und erklärte: „Die Schlussfolgerungen sind deswegen absolut unzutreffend“. So steht Aussage gegen Aussage.


Allerdings hat das Urteil der Fachleute vom Wissenschaftlichen Dienst Gewicht. Sie genießen den Ruf, ausgewogen und unabhängig zu sein. Abgeordnete können sich von ihnen beraten lassen. Im Falle der Maut gab der südbadische SPD-Politiker Johannes Fechner den Auftrag. Und die Juristen stören sich an Dreierlei.


Erstens argumentieren sie, dass die Preise für Jahresvignetten für inländische Autos nach Umweltfreundlichkeit, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt sein, die für ausländische aber nicht. So liege die Jahresabgabe für ausländischer Autofahrer bei 103,04 Euro für einen Benziner. Der Halter eines in Deutschland zugelassenen VW Polo 1.2 TSI müsse indes 24 Euro zahlen, um die dann auch noch die Kfz-Steuer sinke. Das führe zu einer „ungleichen Behandlung“.


Zweitens: Auch wenn die Erleichterungen bei der KFZ-Steuer für Deutsche formal getrennt beschlossen würden, „müssten beide Maßnahmen zusammen betrachtet werden“. Und drittens: Ausländische Verkehrsunternehmen, etwa Kurierdienste, würden finanziell stärker belastet als inländische. Fest steht: Bundesverkehrsminister Dobrindt muss noch manchen Zweifel aus dem Weg räumen, bevor die PKW-Maut kommt.


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