Überraschend verflochten

Die Gefahren einer China-Krise

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Von Björn Hartmann

24. Jan. 2024 –

Für viele deutsche Firmen ist China trotz der geopolitischen Spannungen sehr wichtig. Das  Land liefert wichtige Rohstoffe, günstige Teile und der Absatzmarkt ist riesig. Entsprechend eng sind die Volkswirtschaften verbunden. Doch das birgt Gefahren. Die Bundesbank hat untersucht, welche Folgen ein Absturz der chinesischen Wirtschaft für Deutschland hätte. Erstmals liefern die Experten Hinweise, wie überraschend stark es auch die deutschen Banken treffen könnte.

China ist viertgrößter Abnehmer deutscher Waren und größter Lieferant. Deutsche Firmen arbeiten nicht nur mit chinesischen Firmen zusammen, sie haben oft auch Tochterunternehmen in der Volksrepublik. Und auch Deutschlands Banken sind mit Chinas Wirtschaft verflochten. Die Bundesbank liefert jetzt erstmals konkrete Zahlen.

Ende 2022 standen danach Kredite im Wert von rund 36 Milliarden Euro in den Büchern der hiesigen Banken, Geld, das sie chinesischen Unternehmen oder deutschen Firmen in China direkt geliehen hatten. Auch wenn die Summe groß klingt, halten die Bundesbank-Experten sie für recht gering. International steht Deutschland bei der Liste der direkten Geldgebern auf Platz 20. Eine tiefgreifende Wirtschaftskrise träfe die Kreditinstitute deshalb kaum direkt.

Aber es gibt große indirekte Risiken. Die Bundesbanker ermittelten 756 Firmen, die über Tochterfirmen besonders viel Geschäft mit der China machen. Und diese Firmen haben bei den Banken Geld geliehen. Den Experten zufolge geht es um knapp 220 Milliarden Euro (Stand Ende 2022). Ein nennenswerter Betrag, der die Banken schwer belasten könnte, sollten die chinesischen Tochterfirmen in den Strudel einer Krise geraten und die Mutterkonzerne deshalb Kredite nicht mehr bedienen können. Die Bundesbanker sehen sogar Gefahren für das Finanzsystem. Ob es soweit kommt, ist unklar. Die Studie zeigt nur die Richtung und, dass die Banken möglicherweise Risiken haben, die sie nicht unbedingt als solche einschätzen.

Risiken für das Kreditwesen lauern auch in Zweckgesellschaften, die aus Steuergründen in den Niederlanden oder Luxemburg angesiedelt sind. Sie haben sich möglicherweise Geld bei deutschen Banken geliehen, finanzierten damit Geschäft in China. Die Bundesbanker nannten hier keine genauen Zahlen, sehen aber ein Problem.

Was ein wirtschaftlicher Absturz in China für die deutsche Wirtschaft abseits der Banken bedeutet, haben die Bundesbanker ebenfalls durchgerechnet. 2022 war China der viertgrößte Abnehmer deutscher Waren. Rund 107 Milliarden Euro betrug der Wert der verkauften Güter, das entsprach sieben Prozent der deutschen Ausfuhren. Besonders die Autoindustrie und der Maschinenbau, Deutschlands Topbranchen, profitieren von dem riesigen Markt. Sie wären auch im Fall einer chinesischen Wirtschaftskrise besonders betroffen, wenn Firmen nicht mehr investieren und sich auch die Endkunden zurückhalten, weniger in Deutschland bestellt würde.

Insgesamt käme Deutschland aber glimpflich davon. „Spürbar, aber verkraftbar“, nannte einer der Autoren der Studie die Folgen. Die deutsche Wirtschaftsleistung sänke im ersten Jahr der Krise um etwa 0,7 Prozent, im zweiten um ein Prozent. Danach soll sich alles normalisieren. Im vergangenen Jahr schrumpfte die deutsche Wirtschaft unter anderem wegen teurer Energie, hoher Inflation und steigenden Kreditzinsen um 0,3 Prozent.

Deutlich schwieriger wird es für Deutschland, wenn die chinesische Wirtschaft weniger liefern würde. Waren im Wert von 193 Milliarden Euro führte die Bundesrepublik 2022 aus der Volksrepublik ein, das entspricht 13 Prozent aller Importe. Das Land ist wichtigster Lieferant – vor allem von Vorprodukten wie Solarpanels und Rohstoffen wie Seltene Erden, die für Hightechprodukte wie Batterien nötig sind. Gut die Hälfte der deutschen Industrieunternehmen ist der Untersuchung zufolge von Teilen und Material aus China abhängig. Ein Ersatz ist oft kaum möglich. So hat China einen Weltmarktanteil von fast 70 Prozent bei Seltenen Erden. Bleiben Lieferungen aus oder nutzt China seine Macht, wird es für die deutschen Firmen schwer.

Firmen verkaufen nicht nur Waren nach China und beziehen Vorprodukte. Viele  produzieren dort selbst. Dazu wurden Tochterfirmen gegründet, Geld in Fabriken gesteckt. Allein 2022 flossen 11,2 Milliarden Euro solcher Direktinvestitionen. Insgesamt waren die Beteiligungen deutscher Firmen an Unternehmen in China rund 86 Milliarden Euro wert, wie die Bundesbanker ermittelten. Das sind etwas mehr als vier Prozent dessen, was deutsche Firmen weltweit investiert haben. Eine gute Anlage: Die chinesischen Beteiligungen lieferten 15 Prozent aller Vermögenseinkommen, die die deutschen Firmen im Ausland erzielten. Diese Erträge wären im Krisenfall in Gefahr.

Grundsätzlich glauben die Bundesbanker, dass Deutschland eine Wirtschaftskrise in China verkraften könnte. Sich abrupt von China zu trennen, etwa, wenn das Land den Nachbarn Taiwan überfallen sollte, hätte dagegen schwerwiegende Folgen. Die vollständige Abkehr von China halten die Experten für weder erstrebenswert noch realistisch. Dass China einfach die USA oder Europa von Produkten und Rohstoffen ausschließt, vermuten sie auch nicht. Die Volksrepublik sei handels- und technologieseitig stark auf den Westen angewiesen. 40 Prozent der chinesischen Importe der Volksrepublik stammen aus einer der sieben führenden Industrienationen.

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