Umstrittene Kohle für deutschen Strom

Menschenrechtler kritisieren Steinkohle-Importe aus Kolumbien. Unternehmen wie E.ON und RWE weisen Vorwürfe unsozialer und unökologischer Produktionsbedingungen in der Mine El Cerrejon zurück

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Von Hannes Koch

30. Jul. 2010 –

Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe unter anderem gegen RWE und E.ON. Die Konzerne würden Steinkohle aus einem umstrittenen Bergwerk in Kolumbien für die Stromproduktion in deutschen Kraftwerken verwenden, erklärt Sebastian Rötters vom FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN) in Köln. Die schlechten sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen in der Mine El Cerrejon kritisiert auch die dänische Organisation DanWatch in ihrer aktuellen Studie „Der Fluch der Kohle“.


Rechercheure von DanWatch haben den größten Steinkohle-Tagebau der Welt im Norden Kolumbiens im Herbst 2009 besucht. Sie werfen der Minenfirma vor, durch die permanente Ausdehnung des Abbaus die Bewohner benachbarter Dörfer von ihrem Land vertrieben zu haben. In vielen Fällen seien keine Entschädigungen gezahlt worden, sagt Peter Bengtsen von DanWatch.


Außerdem führe die hohe Konzentration von Kohlestaub in der Luft zu Atemwegserkrankungen bei Arbeitern und Anwohnern der kolumbianischen Mine, so Bengtsen. Sogar Todesfälle würden örtliche Ärzte mit der Verschmutzung in Verbindung bringen.


Mit den Vorwürfen konfrontiert, räumt E.ON ein, Steinkohle aus dem umstrittenen Bergwerk für die Stromproduktion in Deutschland zu verwenden. Das Unternehmen „kauft jährlich durchschnittlich rund vier Millionen Tonnen aus Kolumbien, wovon ein großer Teil aus Cerrejon stammt“, erklärt E.ON-Sprecherin Julia Harms gegenüber dieser Zeitung.


RWE-Sprecher Jürgen Frech verweist darauf, dass die „Lieferbeziehungen“ zu anderen Firmen „vertraulich“ seien. Dennoch hält es Kritiker Rötters für erwiesen, dass auch RWE in Cerrejon einkaufe. Thomas Schmidt, der Sprecher des Großkraftwerks Mannheim, an dem RWE und EnBW beteiligt sind, bestätigt denn auch, dass man Kohle aus der kritisierten Mine beziehe.


Und Trianel, ein Zusammenschluss von Stadtwerken mit Sitz in Aachen, will bald unter anderem Kohle aus Kolumbien in seinem neuen Kraftwerk im nordrhein-westfälischen Lünen verwenden. Wahrscheinlich wird auch Brennstoff aus Cerrejon dabei sein.


Die Kritik an den dortigen Produktionsbedingungen ist den deutschen Unternehmen durchaus bekannt. Der Tenor ihrer Stellungnahmen lautet aber: Die Vorwürfe gegen Cerrejon seien unbegründet.


So erklärt E.ON-Sprecherin Harms zwar, dass „es in der Vergangenheit in der Tat problematische Bedingungen für die Anwohner und Mitarbeiter der Cerrejon-Mine gab“. Mittlerweile aber erfülle das Bergwerk „die Kriterien bezüglich Einhaltung der Menschenrechte, Arbeitssicherheit und Umweltschutz-Standards bereits zu einem großen Teil“.


Die Hinweise von RWE zielen in eine ähnliche Richtung. Man gehe Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen nur dann ein, wenn eine strenge Risikoüberprüfung keine sozialen und ökologischen Probleme erkennen lasse.


Auch der Chef des Unternehmens Cerrejon, Leon Teicher, weist die Vorwürfe gegenüber dieser Zeitung zurück. Man sei bemüht, alte Konflikte mit den Anwohnern auszuräumen, habe Entschädigungen gezahlt und beteilige sich am Wiederaufbau umgesiedelter Dörfer. Teicher räumt freilich ein, dass der Wiederaufbau an neuem Ort in vielen Fällen bislang nur geplant, nicht aber umgesetzt worden sei.


((Fraglich ist, ob das Unternehmen genug Anstrengungen unternimmt, um die Umweltbelastung zu verringern. Aus der offenen Mine, von den riesigen Baggern und Lkw, treibt ständig Staub über das Land. Dem Bericht von DanWatch zufolge berichten Arbeiter, Anwohner und Ärzte über häufige Fälle von Asthma und Lungeninfektionen. Cerrejon-Vorstand Teicher dagegen betont, dass die Feinstaub-Konzentration in der Luft den nationalen Grenzwert nicht überschreite.))


Aus der Ferne betrachtet steht Aussage gegen Aussage – eine Situation, die bei den deutschen Unternehmen ein gewisses Unwohlsein hinterlässt. Deshalb erklärt der Sprecher des Kraftwerks Mannheim: Sollten sich die Vorwürfe doch bestätigen, werde man „die Geschäftsbeziehungen mit den entsprechenden Mininbetreibern überprüfen und gegebenenfalls beenden“.


((Kürzungsvorschlag))


Info-Kasten

Kohle aus Kolumbien

El Cerrejon im Norden Kolumbiens unweit der karibischen Küste ist der größte Steinkohle-Tagebau der Welt. Er gehört den Konzernen Anglo American, BHP Billiton und Xstrata. Nach eigenen Angaben hält die Mine die zehn Prinzipien für Menschenrechte und Umweltschutz des Global Compact ein, des Netzwerks der Vereinten Nationen für Verantwortung in der Wirtschaft.

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