Unabhängigkeit ist eine Frage des Preises

Kann Deutschland Gas und Kohle aus Russland ersetzen, um außenpolitisch unabhängiger zu werden?

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Von Hannes Koch

31. Mär. 2014 –

Wegen der Ukraine-Krise hat in Deutschland eine neue Energie-Debatte begonnen. Ging es bisher vor allem um den Gegensatz zwischen fossil-nuklearen Quellen einerseits und Ökoenergie andererseits, kommt nun der Aspekt außenpolitischer Abhängigkeit hinzu. Dabei deutet einiges daraufhin, dass Deutschland höchstens auf einen Teil seiner Energieimporte aus Russland verzichten könnte. Und schon dies hätte einen Preis in Gestalt höherer Kosten. Privathaushalte und Unternehmen würden darunter leiden.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kürzlich die Devise ausgegeben, die „gesamte deutsche Energiepolitik neu zu betrachten“. Diese Aufforderung nehmen nun viele Politiker und Experten gerne auf. Im Zentrum stehen zwei Fragen: Könnten Deutschland und Europa ihre Erdöl-, Erdgas- und Kohle-Importe aus Russland ersetzen? Ist es sinnvoll, verstärkt die fossilen Energieressourcen Gas und Kohle in westlichen Staaten zu nutzen?

 

Erdgas:

Nur etwa 15 Prozent seines Gasverbrauchs kann Deutschland mit konventioneller Förderung selbst decken, so die Angabe des Bundesverbandes der Energiewirtschaft (BDEW). Ein gutes Drittel der Importe kommt aus Russland, der größere Teil der Einfuhren aus Norwegen und den Niederlanden. Diese Staaten könnten ihre Lieferungen per Pipelines kurzfristig zwar steigern, langfristig aber kaum, weil die eigenen Vorkommen zur Neige gehen, sagen Fachleute wie Steffen Bukold (Energycomment) und Eugen Weinberg (Commerzbank).

 

Flüssiggas:

Eine Alternative wäre der Import von gekühltem und verflüssigtem Erdgas per Tanker aus den USA, Algerien, Katar oder anderen Staaten. Dazu sagt Kirsten Westphal von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die das Außenministerium berät: „Kurzfristig lassen sich keine relevanten Mengen Flüssiggas auf dem Weltmarkt beschaffen.“ Das Angebot sei knapp - unter anderem, weil Japan nach der Atomkatastrophe von Fukushima viel Gas importiere. „Wollte Deutschland mittel- und langfristig zusätzliche, große Gasmengen kaufen, müsste man mit stark steigenden Preisen rechnen. In Japan liegt der Importpreis heute fast doppelt so hoch wie in Europa“, so Westphal. Ähnlich sieht das Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung: „Der Preis würde steigen. Ein Aufschlag von 25 Prozent wäre nicht unwahrscheinlich.“

 

Fracking:

Mit dieser Methode der unkonventionellen Erdöl- und Gasförderung, bei der Wasser und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst werden, haben die USA großen Erfolg. Der dortige Großhandelspreis für Gas liegt weit unter europäischem Niveau, die Fördermenge ist stark gestiegen. Wegen hunderttausender neuer Arbeitsplätze ist von einer Reindustrialisierung die Rede. Unter anderem CSU-Wirtschaftspolitiker Peter Ramsauer fordert deshalb, die Technik auch in Deutschland in Erwägung zu ziehen. Die BASF-Tochter Wintershall will bald schon in Nordrhein-Westfalen Probebohrungen unternehmen. Allerdings hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag Fracking in Deutschland so lange ausgeschlossen, wie dabei giftige Substanzen verwendet werden. Bundesumweltministerium Barbara Hendricks lässt gerade einen entsprechenden Entwurf des Wasserhaushaltsgesetzes erarbeiten. SWP-Expertin Westphal sagt: „Fracking in Europa würde vermutlich keine riesigen Gasmengen zur Verfügung stellen, könnte aber sinnvoll sein, um die abnehmende heimische Förderung konventionellen Gases zu ersetzen und Spitzenbedarf zu decken.“

 

Kohle:

Von einem Energierohstoff hat Deutschland große eigene Vorräte: Braunkohle. Noch 2009 hielt Deutschland den Spitzenplatz bei der Förderung weltweit. Zu gegenwärtigen Preisen könnte die Förderung noch über 200 Jahre weitergehen – oder auch gesteigert werden. Aber auch diese Technik hat ihren Preis: Die Emission klimaschädlicher Gase ist enorm. Das ist ein Grund für die ständige Auseinandersetzung um die Braunkohle-Tagebau in Deutschland – neben der Tatsache, dass die Bürger protestieren, deren Dörfer den Baggern weichen sollen. Um mehrere Siedlungen zu verschonen, hat die rot-grüne NRW-Landesregierung gerade beschlossen, den Tagebau Garzweiler II zu verkleinern. Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg ist da weniger zimperlich. Neben den vier existierenden stehen dort fünf weitere Gebiete für neue Tagebaue auf der Liste. Bei der Steinkohle hat Deutschland kaum noch eigene Vorräte, könnte aber größere Mengen importieren. Aber auch hier ist SWP-Expertin Westphal skeptisch: „Bei der Kohle darf man das Klimaproblem nicht außer Acht lassen. Deshalb müsste man das Kohlendioxid abscheiden und lagern - was den Preis der Energiegewinnung erhöhte.“

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