Ungerechtigkeit fördert Finanzkrisen

40 Prozent ihres Einkommens haben die ärmsten Bürger zwischen 1991 und 2010 verloren

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Von Hannes Koch

06. Sep. 2013 –

Aufschwung, mehr Arbeitsplätze, steigende Löhne – alles gut in Deutschland? Diese Frage will Ökonom Gustav Adolf Horn nicht bejahen. Abgesehen davon, dass er als Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK) kritisch sein muss, präsentierte Horn am Freitag Fakten: Demnach ist die soziale Ungleichheit in Deutschland während der vergangenen 20 Jahre erstaunlich stark gestiegen.

 

Eine neue Studie des IMK zeigt, dass die Bruttoeinkommen der ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung zwischen 1991 und 2010 um durchschnittlich 40 Prozent abgenommen haben. Insgesamt verlor die Hälfte der Bundesbürger in dieser Zeit Einkommen. 40 Prozent der Deutschen konnten dagegen zum Teil erhebliche Zugewinne verbuchen. Diese erreichten 20 Prozent beim reichsten Dezil der Bevölkerung. Unter anderem wegen des Wirtschaftsaufschwungs nahm die soziale Spreizung während der vergangenen fünf Jahre zwar nicht mehr zu, aber auch nicht wesentlich ab, so Horn.

 

Vor der Bundestagswahl geht es den Forschern vor allem darum, die Ursachen dieser Entwicklung zu beschreiben. „Wir stellen eine dramatische Verschiebung von den Arbeits- zu den Kapitaleinkommen fest“, sagte Horn. Vielen Arbeitnehmern ging es schlechter, während Vermögensbesitzer höhere Einkommen erzielten.

 

Auf dem Arbeitsmarkt spielten drei Entwicklungen eine Rolle: Erstens nahm die Zahl der sogenannten atypischen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich zu, die besonders schlecht bezahlt werden. Zweitens gingen niedrige und hohe Löhne für Beschäftigte stärker auseinander als früher. Hinzu kamen ferner die Sozialreformen von Kanzler Schröders Agenda 2010 – besipielsweise die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe kostete Millionen Menschen richtig Geld.

 

Auf der Sonnenseite profitierten die Wohlhabenden und Reichen dagegen von den Steuersenkungen, die die Bundesregierungen seit Beginn der 1990er Jahre durchführten. Die Abgabenbelastung für höhere Einkommen und Vermögen sank rapide.

 

In dieser Entwicklung sah Horn nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem. Je ungleicher eine Gesellschaft sei, desto mehr stehe auch ihre ökonomische Stabilität in Frage, argumentierte der Forscher. Einfach gesagt: Ungerechtigkeit fördert Finanzkrisen. Den Zusammenhang stellte Horn so her: Wenn Reiche weniger Steuern zahlten, investierten sie mehr Geld auf den Finanzmärkten. Dies könne zu Finanzblasen und entsprechenden Krisen führen.

 

Als Gegenmittel empfiehlt das IMK Politikansätze, die die soziale Spreizung wieder verringern. Dazu gehörten höhere Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern für gutsituierte Bürger und ein gesetzlicher Mindestlohn für schlecht verdienende Arbeitnehmer.

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