Verbraucherministerin bietet Privatanlegern Hilfe an

Ilse Aigner beklagt Mängel der Finanzberatung in Banken, Versicherungen und Agenturen. Checkliste für Verbraucher und bessere Qualifikationen für Berater sollen Verluste reduzieren

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Von Hannes Koch

10. Mär. 2009 –

Um ihre Botschaft zu verdeutlichen, verwendete Verbraucherministerin Ilse Aigner ein Bild aus ihrer bayerischen Heimat. Private Kapitalanleger seien wie Bergwanderer, die man nicht ohne feste Schuhe, eine vernünftige Karte und einen ortskundigen Führer ins alpine Hochgebirge schicken dürfe. Mit Hilfe des rhetorischen Ausflugs illustrierte die Ministerin die Gefahren, auf die viele Bundesbürger treffen, wenn sie sich um ihre Geldanlage kümmern. Mangels Ausrüstung, Vorwissen und sachkundiger Begleitung stürzen sie ab – ihr Geld ist weg.


Zur Eröffnung der von ihrem Ministerium organisierten Tagung „Anforderungen an die Finanzvermittlung – Verbraucherschutz im Zeichen der Finanzmarktkrise“ am Dienstag in Berlin kündigte Aigner einen „Routenplaner“ für Privatanleger an. Das wesentliche Ziel der Ministerin ist es, die Beratung der Verbraucher beim Kauf von Krediten, Versicherungen und Geldanlagen entscheidend zu verbessern.


Denn, so sagte Aigner: „Viele Menschen haben Geld verloren. Ihr Vertrauen in das Finanzsystem ist deutlich erschüttert“. Als Beispiel berichtete sie von Anlegern, denen Finanzberater risikoreiche Zertifikate der inzwischen bankrotten US-Bank Lehman Brothers mit dem Hinweis verkauft hätten: „Diese Geldanlage ist sicher, solange nicht der 3. Weltkrieg ausbricht“. Nach der Pleite der Bank im vergangenen September sind die Lehman-Zertifikate mittlerweile wertlos.


Um eine derart irreführende Finanzberatung künftig möglichst zu verhindern, will Ministerin Aigner in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und Verbraucherorganisationen eine „Checkliste“ für Privatanleger erarbeiten lassen. Auf einer oder zwei DIN-A4-Seiten würde diese Liste die wichtigsten Fragen enthalten, die Kunden ihrem Finanzberater stellen sollten. Bliebe der vermeintliche Experte dann plausible Antworten schuldig, sollten ihm die Verbraucher ihr Geld keinesfalls anvertrauen.


Auch bei der Ausbildung und dem Sachwissen der Finanzberater hapert es heutzutage teilweise gewaltig. Denn noch kann fast jeder eine Beratungsagentur eröffnen und Privatleuten Finanzprodukte verkaufen. Qualifikationen brauchen die selbsternannten Experten meist nicht nachzuweisen. Auch hier überlegt Aigner, Abhilfe zu schaffen. „Wir prüfen, ob man die Berufsbezeichnung ´Finanzberater´ gesetzlich schützen sollte“, sagte die Ministerin. Damit einhergehen würde die Pflicht, etwa bei der Industrie- und Handelskammer eine Prüfung abzulegen.


Eine „einheitliche Beschwerdestelle für Privatanleger“ zu gründen, schlug Jan Evers vor. Der Chef des Hamburger Forschungsinstitutes Evers & Jung war vom Verbraucherministerium beauftragt worden, die Schwachstellen der Finanzberatung in Deutschland zu analysieren. Unter anderem stellten die Forscher fest: Noch existiert ein munteres Durcheinander von zahlreichen Beschwerdestellen, so dass die Verbraucher eher verunsichert, als unterstützt werden.


Außerdem, so regte Evers an, solle Ministerin Aigner dringend die so genannte Honorarberatung fördern. Diese unabhängigen Berater bieten den Verbrauchern ihre Dienstleistung gegen Honorar an – sie sind deshalb weniger abhängig von den Banken und Fonds, die nur ihre Produkte verkaufen wollen. Heute dominiert dagegen die Finanzberatung, die sich durch Provisionen finanziert. Wer viel verkauft, verdient viel – egal, ob die Produkte den Bedürfnissen der Kunden entsprechen oder nicht.


Anlass, schnell etwas zu ändern, gibt es in jedem Fall. „Die Vermögensschäden auf Grund mangelhafter Finanzberatung werden auf jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro geschätzt“, sagte Evers & Jung-Mitarbeiter Marco Habschick.


Wohlgemerkt: Die meisten Ideen, die Aigner am Dienstag präsentierte, sind bislang Theorie. Die 200 anwesenden Lobbyisten und Spezialisten forderte sie auf, mit ihr zusammen am „Routenplaner“ für die Finanzberatung zu arbeiten. Einen ersten Schritt allerdings hat die Bundesregierung schon getan. Unlängst verabschiedete das Kabinett einen Gesetzentwurf, der zwei wichtige Verbesserungen enthält. Bankangestellte müssen künftig ein Protokoll des Beratungsgespräches schreiben und den Anlegern aushändigen. Außerdem soll die Haftung der Berater auf zehn Jahre verlängert werden. Bei nachweislich schlechten Finanztipps haben die Anleger dann länger Zeit, Klage einzureichen.

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