Verhandlungsmacht unter Druck

Warum der Tarifabschluss von Verdi bei der Post hinter Metall und Chemie zurückbleibt

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Von Hannes Koch

06. Jul. 2015 –

Briefe und Pakete kommen dank der Tarifeinigung zwischen der Deutschen Post und der Gewerkschaft Verdi bald wieder ohne Verzögerung. Dass der Streik beendet ist, freut Firmen und Bürger. Für die Gewerkschaft allerdings ist das Ergebnis nicht berauschend. Die Lohnsteigerung von weniger als zwei Prozent fällt mager aus. Und der Abwehrkampf gegen die niedrigere Bezahlung für Paketzusteller ist zum Teil gescheitert. In diesem Ergebnis spiegelt sich die geringe Verhandlungsmacht einer Dienstleistungsgewerkschaft im Vergleich zu mancher Industriebranche.

 

Beim Blick auf den Abschluss zum Post-Lohn zeigt sich, dass Ver.di hinter den Kollegen der IG Metall und der IG Bergbau, Chemie, Energie zurückgeblieben ist. Während die Beschäftigten dort 2015 immerhin 3,4 und 2,8 Prozent mehr Lohn erhalten, steigt der Verdienst für Briefzusteller, Paketfahrer und Sortierer um durchschnittlich 1,7 Prozent. Soviel machen die 400 Euro Einmalzahlung in etwa aus, die die Postler dieses Jahr bekommen sollen. Ab Oktober 2016 folgen dann noch einmal 2 Prozent und 2017 weitere 1,7 Prozent.

 

Dieses Ergebnis rechtfertigt Verdi damit, dass eine andere Frage im Vordergrund gestanden habe. Der Konzern hat neue Paketgesellschaften gegründet, in denen die Beschäftigten auf Basis eines Tarifvertrags für Speditionen 20 bis 30 Prozent weniger Geld verdienen als Kollegen mit Post-Haustarif. Jene Billig-Arbeitnehmer zurückzuholen, konnte die Gewerkschaft nicht durchsetzen. Erreicht hat sie jedoch, dass gegenwärtige Post-Paketzusteller nicht in die neuen Töchter ausgelagert werden dürfen. Die Billig-Firmen müssen sich auf dem Arbeitsmarkt zusätzliche Beschäftigte suchen.

 

Mit ihrer Strategie, die Tarifbezahlung zur drücken, wolle die Post DHL-Gruppe schlicht die Gewinnmarge erhöhen, beschwert sich die Gewerkschaft. Aber es geht aus Sicht des Unternehmens auch darum, sich gegen die Konkurrenz anderer Logistikfirmen wie UPS, Hermes, GLS oder DPD zu wehren. Wie hart der Wettbewerb ist, zeigt, dass mittlerweile auch Lebensmittel-Ketten eigene Liefer-Lkw zu den Privathaushalten schicken.

 

Der Markteintritt für solche Unternehmen ist billiger als in der Metall- oder Chemieindustrie. Man braucht keine milliardenteure Autofabrik oder Ölraffinerie. Kostengünstigere Lager-Infrastruktur, Transportfahrzeuge und Software reichen. Die Beschäftigten kann man anlernen. Sie benötigen nur Führerscheine. Dies spiegelt sich in niedrigen Löhnen.

 

Beispielsweise Automobilhersteller suchen dagegen oft Facharbeiter, die sie besser bezahlen müssen. Die hiesige Auto-, Maschinenbau- und Chemieindustrie hat außerdem einen erheblichen Exportanteil. Im Auslandsgeschäft können die deutschen Firmen oft bessere Gewinnmargen erzielen.

 

Das hat auch damit zu tun, dass ihren Produkte der Ruf einer besonderen Qualität vorauseilt. Dafür sind die Kunden häufig bereit, höhere Preise zu bezahlen. Im Gegensatz dazu dürfte es den Verbrauchern im Wesentlichen egal sein, welche Paketfirma die online gekauften Kleidungsstücke und Lebensmittel nach Hause liefert. Hier zählt, dass die Lieferkosten nicht ins Gewicht fallen. Das drückt auf die Löhne und auch auf die Verhandlungsmacht einer großen Gewerkschaft wie Verdi.

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