Verliert das Geldvermögen bald seinen Wert?

Die Meinungen über die Gefahr einer Inflation gehen weit auseinander

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Von Wolfgang Mulke

20. Sep. 2012 –

Für den Chef der Deutschen Bank steht der Preis der Eurorettung bereits fest. Die Deutschen müssten sich auf Inflation einstellen, glaubt Anshu Jain, der das größte Geldhaus des Landes seit dem Abgang von Josef Ackermann führt. Andere Experten mahnen zur Vorsicht. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht zum Beispiel mittelfristig keine ausufernde Teuerung am Horizont. So weit wie diese beiden ausgewiesenen Kenner der Finanzwirtschaft und der Ökonomie liegen auch viele andere Wissenschaftler und Praktiker in ihrer Einschätzung der künftigen Inflationsentwicklung auseinander. Eine verlässliche Prognose gibt es derzeit nicht.


Inflation entsteht nach der bislang gängigen Sichtweise, wenn zu viel Geld im Umlauf ist. Dann steigt die Nachfrage nach Rohstoffen, Gütern und Dienstleistungen an. Das führt zu Preiserhöhungen auf breiter Front. Denn die Produktion verteuert sich, die Arbeitnehmer fordern höhere Löhne und die gute Geschäftslage ermöglicht den Unternehmen einen Aufschlag auf den Preis. Daraus kann im ungünstigsten Fall eine Spirale nach oben entstehen – einen starke Inflation.


Auf den ersten Blick sind die Voraussetzungen dafür gerade gegeben. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpt frisches Geld in den Wirtschaftskreislauf, in dem sie es für einen Minizins an die Banken verleiht und bald auch wieder Staatsanleihen der Krisenländer aufkauft. Damit wirft die Notenbank praktisch die Druckerpresse an und erzeugt neues Geld. Da derzeit alle wichtigen Zentralbanken demselben Motto folgen, entsteht weltweit ein riesiger Überschuss an verfügbaren Mitteln, so genannter Liquidität. Die Skeptiker sehen darin den Auftakt einer inflationären Entwicklung, weil mit diesem Geld bald Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder Firmen gekauft werden könnten.


Doch die Teuerungsrate in Deutschland und der Eurozone steigt nur mäßig an. Wie passt das zusammen? Es gibt auch gegenläufige Trends. Das Kapital, dass die Banken von der EZB bekommen, landet nicht oder nur zu einem geringen Teil im Wirtschaftskreislauf. Vielmehr achten die Institute darauf, dass sie flüssig bleiben. Damit sinkt die Inflationsgefahr schon einmal erheblich. Dazu kommt die wirtschaftliche Flaute in vielen Ländern. Die Nachfrage der Industrie nach Ausrüstungsanlagen hält sich in Grenzen und den Verbrauchern in Ländern mit einer schwierigen konjunkturellen Lage fehlt das Geld zum Konsum. Beides mindert den Preisdruck.


So rechnen kurzfristig nur wenige Experten mit einer stark anziehenden Teuerungsrate. Auf lange Sicht räumen allerdings auch die Optimisten gewisse Gefahren ein. Eine galloppierende Inflation, die in Deutschland 1923 in kurzer Zeit das Vermögen der Mittelschicht auffraß, sagt allerdings niemand voraus. Denn die Notenbanken verfügen auch über technische Möglichkeiten, die Geldmenge wieder in den Griff zu bekommen. Und sie kann die Zinsen wieder erhöhen, wenn sich eine Überhitzung der Wirtschaft andeutet.


Dennoch suchen viele Anleger sichere Häfen für ihr Vermögen. Das macht sich am Goldpreis bemerkbar. Momentan kostet die Unze Feingold, 33 Gramm, fast 1.800 US-Dollar. Damit ist der Preis für das Edelmetall nicht mehr weit von seinen historischen Höchstständen entfernt. Gold gilt als inflationssicher, weil es sich nicht beliebig vermehren lässt. Für Kleinanleger ist der Kauf von Barren oder Münzen jedoch weniger geeignet, weil der Preis großen Schwankungen unterliegt. Anlageexperten raten, nur einen Teil des Vermögens in Edelmetalle zu investieren.


Auch Immobilien erleben, zumindest in deutschen Ballungsgebieten, einen Boom. Das Eigenheim ist ebenfalls vor einer Geldentwertung geschützt. Dazu sorgen die niedrigen Bauzinsen für eine steigende Nachfrage. Die Preise sind in einigen Regionen kräftig angestiegen. Das könnte ein Vorbote einer inflationären Entwicklung sein.


Sollten die Preise mittelfristig tatsächlich stärker ansteigen als bislang gewohnt, sind vor allem die Sparer mit einem vergleichsweise geringem Geldvermögen die Verlierer. Generell leiden auch Arbeitnehmer darunter, weil die Löhne in der Regel nicht so schnell steigen wie die Verbraucherpreise. Aber auch ohne eine anziehende Inflationsrate droht den Deutschen eine Entwertung ihrer Ersparnisse auf breiter Front. Denn die Zinsen werden nach Ansicht der meisten Ökonomen noch jahrelang auf einem niedrigen Niveau bleiben. Wenn die Teuerungsrate höher ist als die Zinsen für das Tagesgeld, verringert sich die Kaufkraft des Vermögens. Das Geld vermehrt sich zwar, aber man erhält weniger dafür.












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