Vertrauen wird zur eigenen Währung
Verbraucherschützer fordern von Unternehmen mehr Verantwortung / Bund soll Banken zu Kundenfreundlichkeit drängen
16. Okt. 2008 –
Der Bund soll von den Banken auch mehr Kundenfreundlichkeit verlangen, wenn die Institute durch staatliche Hilfen gestützt werden. „Wenn wir mit unserem Geld einsteigen, sorgt dafür, dass die Kunden vernünftig behandelt werden“, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Gerd Billen, am Donnerstag in Berlin mit Blick auf die Bundesregierung.
Nach Ansicht des Verbands ist das Vertrauen der Verbraucher in die Finanzwelt nachhaltig gestört. Viele Berater hätten ihre Klienten falsch oder nicht richtig über Anlageprodukte informiert. Tatsächlich wurden Fälle bekannt, in denen Sparer statt sicherer Anlagen Zertifikate der inzwischen zahlungsunfähigen Lehman Brothers empfohlen bekamen. Das Geld ist vermutlich weg.
Eine Studie des Verbands hat die gängige Praxis bei der Vergabe von Konsumentenkrediten untersucht. Auch hier mangelt es in vielen Fällen an Kundenfreundlichkeit. So werben Billen zufolge viele Institute mit geringen Kreditzinsen, die aber im Test nicht einmal gut situierten Kunden tatsächlich angeboten wurden. Auch undurchsichtige Bonitätseinstufungen oder unverständliche Verträge werden vom vzbv kritisiert. Die Branche tut sich mit einer Überprüfung ihrer Geschäftsgepflogenheiten schwer. Nur jedes fünfte angeschriebene Unternehmen beantwortete die Fragen der Verbraucherschützer.
Einige Banken zeigen jedoch, dass Kundennähe kein Fremdwort bleiben muss. Mit transparenten Kundeninformationen tut sich beispielsweise die Bank ING DiBa hervor. Auch wird auf Kleingedrucktes und Angebote mit Sternchen verzichtet. Die Citibank unterstützt Schuldnerberatungsstellen, andere Banken zeigen sich im Notfall kooperativ oder verzichten ausdrücklich auf den Weiterverkauf von Kreditforderungen.
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Billen zufolge wird die soziale Verantwortung der Unternehmen, nicht nur der Banken, künftig ein gewichtiger Wettbewerbsfaktor. „Vertrauen wird die Währung, mit der Verbraucher in Zukunft bezahlen“, glaubt der vzbv-Chef. Das Interesse an Waren und Dienstleistungen, die nachhaltig, sozial und umweltfreundlich produziert werden, wächst. Doch oft können Kunden gar nicht erkennen, ob ein Angebot diese Kriterien auch erfüllt. „Woran soll ein Verbraucher erkennen, ob ein Notebook unter Einhaltung von Umweltstandards hergestellt wurde“, fragt sich Billen. Deshalb plädiert der vzbv für eine Art zweites Preisschild, aus dem das gesellschaftliche Engagement der Unternehmen erkennbar wird.
Unternehmen, die es mit der sozialen Verantwortung ernst meinen, sollen dies auch durch klare Strukturen im Management verdeutlichen. So fordert Billen beispielsweise eine Koppelung der Managervergütung an das nachhaltige Wirtschaften und einen fairen Umgang mit Kunden und Beschäftigten. Das „richtige“ Verhalten der Unternehmen sei in der Öffentlichkeit auch Dank der Finanzkrise längst kein Randthema mehr. Es müsse eine Debatte beginnen, wie die soziale Marktwirtschaft nach der Krise aussehen sollte.