Vieles ist neu, wenig wurde besser

Vier Jahre Lehman-Pleite

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Von Wolfgang Mulke

14. Sep. 2012 –

Auf den Tag genau vor vier Jahren begann mit der Pleite der Lehman-Bank auch für Kleinanleger eine neue Epoche. Denn die Erschütterungen des Finanzsystems erreichten schnell auch die Sparer. Auch deshalb gaben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück im Oktober 2008 ein Versprechen ab, das sie im Ernstfall wohl gar nicht hätten halten können. „Deshalb sagen wir den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, erklärte Merkel aus Furcht vor einer Plünderung der Bankkonten durch besorgte Kunden. Der Sturm auf die Geldautomaten blieb aus. Trotzdem begann die Bundesregierung, den Schutzwall für Anleger nach und nach zu erhöhen. Nach Ansicht des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) blieben die meisten Vorhaben jedoch auf halber Strecke stecken.


Die Einlagensicherung wurde als erstes angepackt. Seither sind Guthaben von bis zu 100.000 Euro gesetzlich vor einer Bankpleite geschützt, ein doppelt so hoher Betrag wie vor dem Zusammenbruch der US-Bank. Nun sollen nach dem Willen der EU-Kommission die nationalen Sicherungssysteme der Euroländer ein einem gemeinsamen Verbund aufgehen. Das wäre zumindest für die Kunden der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein Nachteil. Denn diese Institute verhindern gemeinsam die Pleite einzelner Mitgliedsunternehmen, so dass ein Schadenfall nach den bisherigen Erfahrungen gar nicht eintreten kann.


Zertifikate, die vielen Sparern durch die Lehman-Pleite herbe Verluste eingebracht haben, werden weiterhin verkauft, obwohl Anlegerschützer ein Verkaufsverbot für Kleinanleger gefordert hatten. Allerdings klären Banken ihre Kunden nun eher über das Verlustrisiko auf. Denn bei Zertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen einzelner Institute. Geht dem Herausgeber finanziell die Puste aus, schauen die Sparer in die Röhre.


Beratungsprotokolle sollen seit 2010 die rechtliche Position der Bankkunden stärken. Die Berater müssen das Gespräch mit ihren Kunden am Ende schriftlich zusammenfassen. Hinter der Einführung stand die Hoffnung, dass die Verbraucher damit eine falsche Empfehlung besser nachweisen können. Doch Untersuchungen belegen das Gegenteil. Denn die Begründung für einen Anlageratschlag fehlt in der Regel. Der Berater ist damit fein raus. „Sie sind häufig eine Haftungsabsicherung der Bank“, beobachtet vzbv-Expertin Dorothea Mohn.


Das Produktinformationsblatt soll Verbrauchern seit gut einem Jahr die Vor- und Nachteile einzelner Finanzprodukte leicht verständlich darlegen. Auch Kosten wie Provisionen werden aufgeführt. Doch auch diese Regelung ist nach Mohns Ansicht noch löchrig. Da es keine standardisierten Formulare gebe, könne jedes Institut eigene Beipackzettel erstellen. Trotz guter Beispiele fehle es oft an klar verständlichen Darstellungen.



Der Graue Kapitalmarkt ist nicht mehr gänzlich unreguliert. Die Aufsichtsbehörden prüfen die Propekte der Anbieter und die Verkäufer müssen sich registrieren lassen. Der vzbv kritisiert aber, dass die Vermittler nur durch Gewerbeämter und IHKn überwacht werden sollen, was für diese praktisch nicht zu schaffen ist.


Ein Beraterregister wird es ab dem kommenden Jahr geben. So kann die Bundesfinanzaufsicht den Bankberatern besser auf die Finger schauen und schlechten auf dieselben klopfen.


Eine regulierte Honorarberatung, wie sie von Verbraucherschützern als Ersatz für die verkaufsorientierten Gespräche von Bankberatern fordern, gibt es immer noch nicht. Die Bundesregierung diskutiert zwar verschiedene Eckpunkte für ein Gesetz dazu. Doch ob vor den Bundestagswahlen noch ein Entwurf in den Bundestag eingebracht wird, erscheint fraglich. Insgesamt, so resümiert Finanzexpertin Mohn, hat sich substanziell zu wenig im Sinne der Kunden geändert.


Niedrige Zinsen sind eine weitere Folge der Krise, die in der Lehman-Pleite ihren bisherigen Höhepunkt erlebte. Sie sollen die Wirtschaft und das Finanzsystem stützen, wirken sich aber auch auf jeden Privathaushalt aus. Dabei gibt es positive und negative Folgen. Gut ist, dass Kredite billiger geworden sind. Insbesondere Baugeld gibt es so günstig wie nie zuvor. Auf der anderen Seite erhalten Sparer auch kaum mehr Zinsen für normale Geldanlagen. Rechnet man die Teuerungsrate mit ein, verlieren ihre Rücklagen sogar oft an Wert. Die langfristigen Auswirkungen sind noch völlig offen. So werden viele Lebensversicherungen oder private Rentenversicherungen wohl nicht die erhofften Überschüsse abwerfen, weil auch die Anbieter kaum Möglichkeiten zu einer sicheren, aber auch lukrativen Geldanlage haben.



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