Vier Schuljahre Rückstand auf Japan

Neue OECD-Bildungsstudie: Knapp 20 Prozent der Bundesbürger können nur sehr einfache Lese- und Rechenaufgaben lösen

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Von Hannes Koch

08. Okt. 2013 –

Knapp ein Fünftel der deutschen Erwachsenen haben massive Probleme mit Lesen und Rechnen. Sie können nur einfachste Texte verstehen oder sehr leichte Matheaufgaben lösen. Für sie ist es beispielsweise unmöglich, diese Aufgabe zu bewältigen: Suchen Sie auf der Internetseite der Hannover Messe die Telefonnummer des Unternehmens. 17,5 Prozent der Deutschen wären dazu nicht in der Lage.

 

Das ist eines der Ergebnisse der neuesten Bildungsstudie der OECD. Die Organisation von Industrie- und Schwellenländern stellte am Dienstag ihren Report über die Fähigkeiten der 16- bis 65-Jährigen in 24 Staaten vor – eine Art PISA-Studie für Erwachsene. Mit ihrer ersten PISA-Untersuchung hatte die OECD vor zehn Jahren erstmals die Fähigkeiten von Schülern verglichen.

 

Insgesamt fällt das Resultat für Deutschland aber nicht dramatisch aus. Die Lesekompetenz liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt, die Rechenfähigkeit jedoch etwas darüber. Die besten Ergebnisse haben jeweils Japan und Finnland erreicht. Besser lesen und rechnen können die Erwachsenen auch in den Niederlanden, Skandinavien, aber ebenfalls in Tschechien und der Slowakei. Schlechter als Deutschland schneiden beispielsweise Frankreich und Spanien ab.

 

Die abgeprüften Fähigkeiten umfassen nicht nur das bloße Lesen, sondern auch das Verstehen von Fragen zum Text und das Interpretieren des Inhalts. Deutsche Erwachsene erreichen dabei durchschnittlich 270 Punkte, der OECD-Wert liegt bei 273, Japan kommt auf 296 Punkte. Weil sieben Punkte in der Einstufung der Wissenschaftler einem Schuljahr entsprechen, müssten Deutsche vier Jahre nacharbeiten, um das Lese-Niveau der Japaner zu erreichen.

 

In Mathematik ging es beispielsweise um Aufgaben wie diese: Rechnen Sie aus, wieviel Geld ein Arbeitnehmer, der monatlich 400 Kilometer dienstlich mit seinem Privatwagen fährt, von der Firma erhält, wenn diese 35 Cent pro Kilometer erstattet. 18,5 Prozent der Testpersonen in Deutschland scheitern an solchen Aufgaben – etwas weniger als im OECD-Durchschnitt (19 Prozent).

 

Zu besseren Resultaten als die Mehrheit der übrigen Staaten kommen die deutschen Erwachsenen auch bei der Problemlösung mittels Computer und Internet. Etwa 55 Prozent der Deutschen sind in der Lage, mittelschwere und komplizierte Aufgaben zu lösen, 40 Prozent können sich nur auf einfachem Niveau selbst helfen. Generell gilt für die 24 Industriestaaten, dass ältere Menschen meist mehr Probleme haben als jüngere. Die leistungsstärkste Gruppe ist die der 25- bis 34-Jährigen.

 

Aus der Sicht Angel Gurrias, des Generalsekretärs der OECD, soll die Untersuchung vor allem diesen Umstand verdeutlichen: „Kompetenzen entscheiden über Chancen“ - von Individuen und Gesellschaften. Für diese These, die alltäglichem Wissen entspricht, bringen die Wissenschaftler nun zahlreiche Belege, die sie bei den Testpersonen ebenfalls erfragten.

 

Demnach liegt der Arbeitslohn, den Beschäftigte mit hoher und sehr hoher Lesekompetenz erzielen, „im OECD-Schnitt über 60 Prozent höher als der von Arbeitskräften“, die nur die niedrigste Kompetenzstufe erreichen. Wer mehr ausgebildete Fähigkeiten hat, erfreut sich auch einer besseren Gesundheit. Diese Menschen beteiligen sich im übrigen stärker am politischen Leben und gehen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach. Man kann sagen: Sie sind zufriedener. Davon kann die gesamte Gesellschaft profitieren. Die OECD stellt einen Zusammenhang zwischen dem Anteil von Einwohnern mit hohen Kompetenzen und der Wirtschaftsleistung des jeweiligen Landes fest – je gebildeter die Bevölkerung, desto wohlhabender der Staat.

 

Die OECD leitet daraus den Aufruf ab, nicht nur die Systeme der schulischen Bildung zu verbessern, sondern zusätzlich das „Lernen außerhalb der formalen Bildung“ zu unterstützen. Denn höhere Bildung scheint lebenslanges Lernen zu erfordern. Staaten wie Dänemark und Finnland, in denen sehr viele Menschen Angebote der Erwachsenenbildung wahrnehmen, schneiden in der Erwachsenen-Studie am besten ab. Für Deutschland forderte deshalb Rita Süssmuth, die Präsidentin der Volkshochschulen, mehr staatliches Geld für Einrichtungen der Weiterbildung auszugeben.

 

Info-Kasten

Die Studie

Für die PIAAC-Untersuchung der OECD (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) wurden 166.000 Erwachsene in 24 Ländern befragt. In Deutschland nahmen 5.465 Personen teil, in Österreich 5.130. Der Test fand, je nach Computerkenntnissen der Teilnehmer, mit Laptops oder gedruckten Testheften in deren Wohnungen statt.

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