Von der Leyen will Kurzzeit-Jobs ausbauen

Koalition bereitet Gesetz vor, um die Befristung von Arbeitsplätzen zu erleichtern. Gewerkschaften: „Abbau des Kündigungsschutzes durch die Hintertür“. Zahl der befristeten Stellen hat stark zugenommen.

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Von Hannes Koch

17. Mär. 2010 –

Trotz einer stark zunehmenden Zahl von Kurzzeit-Jobs will die Bundesregierung die Liberalisierung des Arbeitsmarktes weiter vorantreiben. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) arbeitet an einem Gesetz, um die Befristung von Arbeitsverträgen zu erleichtern. Mehr Beschäftigte müssten dann damit rechnen, keinen unbefristeten Vertrag mehr zu erhalten, sondern Jobs mit Zeitbegrenzung auf beispielsweise zwei Jahre. Nach Informationen dieser Zeitung will das Arbeitsministerium den Gesetzentwurf voraussichtlich im Mai an den Bundestag schicken.


Das Bundesamt für Statistik hatte zuvor bekanntgegeben, dass der Anteil befristeter Arbeitsplätze im Jahr 2008 bereits 8,9 Prozent betrug. Rund 2,7 Millionen von etwa 30 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeiteten demnach auf zeitlich begrenzten Stellen. 1991 waren erst 5,7 Prozent der Arbeitsplätze befristet.


Die neuen Zahlen heizen nun den Streit zwischen Bundesregierung und Opposition an. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: „Wir wollen die befristete Arbeit zurückdrängen“. Die Begründung für diese Haltung liefert die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung. Deren Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) erklärte am Mittwoch, die Koalition betreibe „den Abbau des Kündigungsschutzes durch die Hintertür“. Befristete Stellen bedeuteten für die Beschäftigten mehr Unsicherheit und Druck.


Union und FDP wollen dagegen tun, was sie im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Dort heißt es, dass die Unternehmen mehr Möglichkeiten erhalten sollen, Arbeitsverträge zeitlich zu begrenzen, ohne dafür eine juristisch überprüfbare Begründung liefern zu müssen. Heute dagegen ist die Befristung ohne Begründung stark reglementiert. In vielen Fällen müssen die Firmen konkrete Argumente anführen, wenn sie die Vertragsdauer für eine Stelle begrenzen wollen. Durch die geplante Liberalisierung würde die Zahl der Kurzzeit-Jobs vermutlich weiter steigen.


Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt in Nürnberg (IAB) erfolgt heute schon fast jede zweite Neueinstellung (47 Prozent) befristet. Besonders davon betroffen sind junge Leute. „In der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen arbeitete 2008 gut jeder Vierte mit befristetem Vertrag“, weiß das Statistische Bundesamt. Viele der jungen Arbeitnehmer machen freilich Studentenjobs, so dass man aus der Zahl der Befristungen nicht unbedingt soziale Unsicherheit herauslesen kann. Etwas anders dürfte es bei Wissenschaftlern, Gebäudereinigern und anderen Dienstleistungen aussehen – auch dort ist der Anteil der begrenzten Stellen sehr hoch. Frauen erhalten in vielen Branchen öfter Kurzzeit-Jobs als Männer.


Die Frage ist nun, wie die Entwicklung einzuschätzen ist - positiv oder negativ? Daten darüber, ob traditionelle, unbefristete Arbeitsplätze zunehmend durch kurze Jobs ersetzt werden, seien nicht vorhanden, heißt es beim IAB. Auch belastbare Erkenntnisse darüber, ob Firmen neue Stellen nur deshalb einrichten, weil sie sie befristen können, liegen nicht vor. Die Frage „Schafft Befristung zusätzliche Arbeit?“ lässt sich seriös kaum beantworten.


Andererseits kann das Nürnberger Institut mit dieser Zahl aufwarten: Fast die Hälfte derjenigen, die erst befristet eingestellt werden, erhält von derselben Firma später auch eine Stelle ohne zeitliche Begrenzung. Dies unterstützt die Annahme von Union und FDP, dass Kurzzeit-Jobs für viele Beschäftigte eine Brücke in normale Arbeitsverhältnisse darstellen.


Dieser augenblicklich opportunen Einstellung scheint das Arbeitsministerium freilich noch nicht ganz zu vertrauen. Entgegen den Zahlen des Statistikamtes erklärte eine Sprecherin am Mittwoch, „insgesamt kann man nicht von einem signifikanten Anstieg befristeter Beschäftigung sprechen“. Der Zuwachs zwischen 1991 und 2008 beruhe im wesentlichen auf einer Veränderung der statistischen Berechnungsmethoden.


Das Statistik-Amt in Wiesbaden wies diese Einschätzung umgehend zurück. Die Zahlen seien belastbar, die neue Berechnungsmethode habe den Anstieg befristeter Beschäftigung allenfalls „etwas überzeichnet“.

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