Vorläufig keine Streiks bei der Bahn

Die Schlichtung verlief erfolgreich. Die aufmüpfige Lokführer-Gewerkschaft GDL hat einen eigenständigen Tarifvertrag erstritten. Sonderregelungen habe sie aber verhindert, sagte die Bahn AG.

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Von Hannes Koch

01. Jul. 2015 –

Streiks bei der Deutschen Bahn sind bis Ende kommenden Jahres so gut wie ausgeschlossen. Diese Nachricht verkündeten am Mittwoch die Streitschlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck. In Verhandlungen über fünf Wochen haben es der thüringische Ministerpräsident und der brandenburgische Ex-Landeschef geschafft, dass sich die Bahn und die Lokführer-Gewerkschaft GDL auf einen neuen Tarifvertrag einigten. Dieser wurde am Dienstag bereits unterschrieben.

 

Die beiden Schlichter berichteten, wie kompliziert die Verhandlungen gewesen seien. Anfangs herrschten solche Spannungen zwischen den Konfliktparteien, dass eine Glühbirne ohne Strom über dem Tisch hätte leuchten können, so Platzeck. Auf halber Strecke gab es einen vorübergehenden Abbruch der Schlichtung. „Jetzt aber hoffen wir auf Sozialpartnerschaft.“

 

Die Schlichtung war eingeleitet worden, weil GDL-Chef Claus Weselsky und seine Mitglieder neun Mal gestreikt hatten. Sie wollten unter anderem durchsetzen, dass ihre Gewerkschaft nicht nur für die Lokführer, sondern unter anderem auch für Zugbegleiter, Disponenten, Mitarbeiter in den Bordrestaurants und Lokrangierführer Tarifverträge abschließen kann. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die diese Berufsgruppen traditionell vertritt, und das Unternehmen Deutsche Bahn wollten abweichende Regelungen für die gleichen Berufsgruppen unbedingt verhindern. Unterstützt fühlten sie sich dabei durch das bald in Kraft tretende Tarifeinheitsgesetz der großen Koalition, das widersprüchliche Tarifverträge im selben Unternehmen ebenfalls ausschließt.

 

Das Schlichtungsergebnis ist nun ein klassischer Kompromiss. Im neuen Bundesrahmentarifvertrag für das gesamte GDL-Zugpersonal haben diese Gewerkschaft und die Bahn Regeln vereinbart, die denen sehr ähnlich sind, die zuvor bereits die EVG mit dem Unternehmen ausgehandelt hatte. Die Beschäftigten erhalten ab diesem Monat 3,5 Prozent mehr Lohn. Ab 1. Mai 2016 gibt es weitere 1,6 Prozent Zuschlag. Außerdem bekommen die Arbeitnehmer eine Einmalzahlung von 350 Euro. Die Arbeitszeit für das Zugpersonal soll 2018 um ein Stunde auf 38 Stunden sinken.

 

Insofern konnte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber betonen, es handele sich um „gleiche Regelungen für gleiche Berufsgruppen“. Die Botschaft des Unternehmens lautet: Tarifverträge mit abweichenden Inhalten für GDL und EVG hat man nicht abgeschlossen. Dem widersprach auch GDL-Chef Weselsky nicht.

 

Wie aber sieht die Zukunft aus? An diesem Punkt gingen die Darstellungen über die Wirkung des Bahn-GDL-Tarifs auseinander. Schlichter Platzeck sagte, dass „konkurrierende Abschlüsse für das gleiche Personal künftig möglich“ seien. Demnach hätte sich die GDL an diesem für sie entscheidenden Punkt durchgesetzt.

 

Die Bahn betonte dagegen ihre Interpretation. Abweichende Abschlüsse mit beiden Gewerkschaften seien zwar theoretisch denkbar, hieß es, „aber wir wollen das nicht“. Personalchef Weber schloss einander widersprechende Tarifverträge abermals ausdrücklich aus.

 

Trotzdem wurde der Konflikt auch für die nähere Zukunft erstmal entschärft. Denn Bodo Ramelow erläuterte, dass GDL und Bahn eine verbindliche Schlichtung im Konfliktfall für die Zeit bis 2020 vereinbart hätten. Bevor gestreikt wird, müssen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber also immer an einen Tisch zu setzen. Dies gilt auch für den Fall, dass nur eine Seite die Schlichtung anruft. Neue Streiks in den kommenden Jahren erscheinen damit eher unwahrscheinlich, wenngleich GDL-Chef Weselsky betonte: „Wir müssen das Ergebnis einer Schlichtung nicht übernehmen.“ Vermutlich wird der Mechanismus der verpflichtenden Schlichtung jedoch darauf hinauslaufen, dass abweichende Tarifforderungen der GDL und Positionen des Unternehmens sich einander annähern. Das Tarifeinheitsgesetz bräuchte deshalb für die Bahn einstweilen nicht angewendet zu werden.

 

„Wir werden zu einheitlichen Regelungen kommen“, hoffte deshalb Bahn-Vorstand Weber. Einen Schritt weiter ging Schlichter Platzeck: Vielleicht würden die konkurrierenden Gewerkschaften GDL und EVG in Zukunft auch wieder gemeinsame Verhandlungen führen.

 

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Die Einigung

Bahn und Lokführer-Gewerkschaft GDL haben sich auf viele Einzelpunkte geeinigt. Unter anderem will das Unternehmen 300 Lokführer und 100 Zugbegleiter zusätzlich einstellen. Dies soll auch dazu dienen, die hohe Zahl von aufgelaufenen Überstunden zu verringern. Von derzeit vier Millionen Überstunden werden bis Ende 2017 eine Million bei den Lokführern und 300.000 bei den Zugbegleitern abgebaut, lautet der Plan. Die Beschäftigten können sich den entgangenen Lohn auch auszahlen lassen. Außerdem gibt es die neue Möglichkeit zu Altersteilzeit für Lokführer.

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