Vorsorgen statt nachsorgen

Spenden von Milliardären sind gut und schön. Besser wäre es freilich, wenn die horrenden Gewinne erst gar nicht entstünden

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Von Hannes Koch

09. Aug. 2010 –

Wenn Milliardäre Milliarden spenden, ist das ein feiner Zug. Software-Unternehmer Bill Gates, Investor Warren Buffet, Banker David Rockefeller und andere Steinreiche der USA habe gerade angekündigt, mindestens die Hälfte ihres Privatvermögens für gute Zwecke spenden zu wollen. Sie würden damit der Gesellschaft einen Teil des Geldes zurückgeben, das sie mit Hilfe des Staates und vieler anderer Menschen erwirtschaftet haben. Besser allerdings wäre es, wenn die horrenden Vermögen, die mittels Spenden teilweise umverteilt werden, gar nicht erst entstünden.


Denn womit verdienen Leute wie Gates, Buffet und Rockefeller ihr Geld? Gates Firma Microsoft beispielsweise lässt auch in China produzieren, wo sich die Löhne der Arbeiter an den niedrigen staatlichen Mindestlöhnen orientieren. Diese liegen nicht selten in der Größenordnung von 130 Euro pro Monat und reichen nicht aus, um den nötigsten Lebensstandard der Arbeiterfamilien zu finanzieren.


Investor Buffet verdient unter anderem Geld mit der Ölpest, die der Konzern BP in Golf von Mexiko angerichtet hat. Eine Firma, an der Buffet beteiligt ist, liefert die umstrittene Chemikalie, die das ausgelaufene Erdöl unter die Meeresoberfläche drückt. Und Rockefeller als ehemaliger Chef der Chase Manhattan Bank mehrte sein Vermögen, indem er mit Aktien von BP und anderen Mineralölkonzernen spekulierte, ohne dass ihn die möglichen Umweltschäden interessierten.


Das Verhalten der reichen Spender ist ein Beispiel für die Herrschaft des Prinzips der Gewinnmaximierung. Manager und Vorstände setzen den Gewinn ihrer Unternehmen absolut. Sie ordnen ihm alles andere unter. Werte wie der faire Umgang mit Beschäftigten und Umwelt spielen in ihren strategischen Überlegungen eine viel zu geringe Rolle. Ihrem Denken fehlt die Balance.


Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dass sich die Bürger und die Zivilgesellschaft kritisch mit der Kategorie des Gewinns auseinandersetzen. Dieser wirkt oft als Treiber für Verantwortungslosigkeit. Zugleich ist der Profit sakrosankt, durch ein Tabu geschützt. Kaum jemand wagt, dieses Basisprinzip in Frage zu stellen.


Das aber dürfen wir den Managern nicht länger durchgehen lassen. Es gibt schlechte Gewinne, die auf Kosten der Allgemeinheit erwirtschaftet wurden, und gute Gewinne, die sich im Rahmen halten. Der Satz „der Gewinn dieses Unternehmens ist zu hoch“ muss eine ernstzunehmende Aussage werden, die die Vorstände unter Rechtfertigungsdruck setzt.


Wann aber ist ein Gewinn in Ordnung, und wann ist er zu hoch?


Fast alle Unternehmer und Manager betonen heute, dass ihre Firmen von Jahr zu Jahr mehr Umsatz und Gewinn machen müssten, um zu überleben. Diese Argumente sind zum Teil plausibel. Denn die Unternehmen stehen unter Druck, Kosten zu finanzieren, die tendentiell wachsen. Im Zuge der normalen Inflation können Rohstoffe und Vorprodukte teurer werden und die Löhne steigen.


Wer außerdem neue, gute Produkte verkaufen will, muss ständig forschen, entwickeln und investieren – und zwar mindestens so viel, dass die Firma gegenüber der Konkurrenz nicht zurückfällt. Kann eine Firma nicht mithalten, sinkt ihr Marktanteil. Dann schwebt sie in der Gefahr, in die Verlustzone zu geraten und von einem Wettbewerber geschluckt zu werden.


Wenn alle Kosten finanziert und gute Produkte am Markt sind, sollte die Firma zudem einen Gewinn für die Eigentümer und Aktionäre abwerfen. Denn die wollen berechtigterweise von ihrem Eigentum profitieren.


Zu diesem Punkt sagt der deutsche Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann, dass er mit drei Prozent Rendite im Verhältnis zum Umsatz zufrieden sei. Bei rund drei Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die drittgrößte Drogerie-Kette Deutschlands 2009 etwa 90 Millionen Euro Gewinn vor Steuern.


Rossmann ist ein erfolgreiches Unternehmen, es expandiert, ist konkurrenzfähig, und bezahlt seinen Beschäftigten anständige Löhne, was man nicht von allen Drogisten und Discountern behaupten kann.


Das zeigt: Es ist für Unternehmen nicht notwendig, mit Supergewinnen auf Platz Eins der Branchen-Hitliste zu stehen. Niemand ist gezwungen, der dickste Hirsch auf der Lichtung zu werden.


Wenn BP 2009 eine Umsatzrendite (Gewinn im Verhältnis zum Umsatz) von 6,9 Prozent erwirtschaftete, der Energiekonzern E.ON von 10,3 Prozent, Hennes & Mauritz von 16,2 Prozent, das Pharma-Unternehmen Sanofi-Aventis von 18 Prozent und Apple von fast 20 Prozent, dann sollten wir misstrauisch werden. Diese Gewinne sind zu hoch.


Derartige Margen sind nur möglich, weil die Firmen ihren Arbeitern einen fairen Anteil an der Wertschöpfung vorenthalten, ihren Lieferanten zu wenig bezahlen, mit der Umwelt zu sorglos umgehen oder den Verbrauchern zu hohe Preise abknöpfen. All das bedeutet: Sie leben auf Kosten ihrer Umgebung, also auch auf unser Kosten.


Die Bürger sollten über diese Gewinne der Unternehmen sprechen und sie damit enttabuisieren. Das erste Ziel könnte sein, die Legitimität zu hoher Profite in Frage zu stellen. Außerdem müssen wir von den Unternehmen verlangen, einen nennenswerten Teil der hohen Gewinne an die Gesellschaft zurückzugeben. Wir können die Vorstände nerven – mit Kampagnen, Aktionen und jeder einzelnen Konsumentscheidung.


Eine Variante, das große Geld zu resozialisieren, sind freiwillige Spenden. Indem Bill Gates einen guten Teil seines Privatvermögens an seine wohltätige Stiftung überschrieben hat, fördert er sinnvolle medizinische Entwicklungen im Kampf gegen Aids und Malaria.


Derartige Spendenbereitschaft hat aber auch einen entscheidenden Nachteil. Die riesigen Vermögen bleiben in der Hand einer sehr kleinen Zahl sehr einflussreicher Personen. Diese können ihr Geld nach eigenem Gutdünken verwenden und brauchen sich nicht an den Wünschen der Mehrheit oder der Politik zu orientieren. Das kann gut gehen, mag aber auch zu einer demokratisch nicht legitimierten Quasi-Politik führen, die nicht im öffentlichen Interesse ist.


Das sicherste Mittel, das große Geld vernünftigen Aufgaben zuzuführen, wären deshalb höhere Steuern auf Kapital – am besten auf internationaler Ebene. In diesem Sinne hat EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski gerade vorgeschlagen, eine Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte zu erheben, die in die Kassen der EU fließen könnte.

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