VW-Kunden könnte sich ein Umweg zur Entschädigung eröffnen

Viele Finanzierungsverträge sind anscheinend fehlerhaft und können widerrufen werden. Noch ist die Rechtslage für Schadenersatz für den Einsatz der Schummelsoftware ungeklärt. Vzbv will ein neues Musterklagerecht.

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Von Wolfgang Mulke

27. Apr. 2017 –

Die Autoindustrie, vor allem VW und seine Konzernmarken Audi, Seat oder Skoda, könnte ein weiterer Fehler teuer zu stehen kommen. Darauf weist die Stiftung Warentest hin. Es geht um Kreditverträge zur Finanzierung des Autokaufs. „Die VW-Bank hat bei der Information ihrer Kunden geschludert“, stellen die Verbraucherschützer fest. Teils würden gesetzlich vorgeschriebene Angaben fehlen, teils unvollständig oder widersprüchlich sein. Betroffen seien Verträge, die ab dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden. An diesem Tag trat eine Gesetzesänderung in Kraft.

Christoph Herrmann, Rechtsexperte der Stiftung, hat eine Klage eines Autofahrers gegen VW vor dem Berliner Landgericht verfolgt. Die Richterin dort habe Klartext gesprochen, sagt er. Kreditnehmer könnten ihre Verträge auch heute noch widerrufen. Und wenn der Vertrag nach dem 13. Juni 2014 abgeschlossen wurde, müssten sie für die Zeit des Besitzes nicht einmal ein Nutzungsentgelt bezahlen. „Wenn die Belehrung nicht korrekt ist, dann kann kein Anspruch auf einen Nutzungswertersatz bestehen“, zitiert Herrmann die Richterin. Ob es auch zu einem Urteil kommt, oder der Kläger einem Vergleich mit VW zustimmt, ist offen.

Für die Wolfsburger steht viel auf dem Spiel. Laut Warentest gab es Ende 2015 mehr als zwei Millionen Kreditverträge über ein Volumen von rund 23 Milliarden Euro. Für die ab Juni 2014 geltenden Kontrakte wäre ein Widerruf für die Autokäufer ein glänzendes Geschäft. Sie hätten das Auto fast kostenlos gefahren. Bei den älteren Verträgen wird noch ein Nutzungsentgelt fällig, bevor es die gezahlten Kreditraten zurückgibt. Es richtet sich nach dem Gebrauch. Liegt die durchschnittliche „Lebenserwartung“ eines Fahrzeugs beispielsweise bei 250.000 Kilometern und der Kunde hat 50.000 Kilometer auf dem Tacho, wird ein Fünftel des Kaufpreises für die Nutzung berechnet.

Die Fehler selbst können Laien kaum selbst finden. „Das ist nicht leicht zu erkennen“, sagt Herrmann. Dazu benötigten selbst Fachanwälte oft Tage. Tipps und einen Musterbrief dazu bietet die Stiftung Warentest unter der Webadresse www.test.de. Die Berliner Klage führte der Trierer Anwalt Christof Lehnen. „Unserer Ansicht nach sind weit mehr Institute als die VW-Bank betroffen“, sagt der Verbraucherrechtler. Seine Kanzlei geht davon aus, dass viele Herstellerbanken Fehler in den Kreditverträgen gemacht haben und diese ebenfalls erfolgreich widerrufen werden könnten. Doch entsprechende Urteile sind nicht bekannt.

Über den Umweg eines schlecht formulierten Finanzierungsvertrages profitieren Lehnen zufolge auch von der Abgasmanipulationssoftware betroffene VW-Kunden, die ihr Auto loswerden wollen. Sie müssen sonst nach geltendem Recht einzeln die Rückgabe ihres Fahrzeugs oder eine Entschädigung einklagen. Dabei urteilen die Gerichte aber unterschiedlich und geklagt wird in der Regel gegen den Händler und nicht den Konzern. Es komme zu Vergleichen, bei denen VW den kompletten Kaufpreis zurückzahlt, berichtet Anwalt Christopher Rother von der Kanzler Hausfeldt, die nach eigenen Angaben rund 25.000 private VW-Kunden vertritt. Auf diese Weise wird ein höchstrichterliches Urteil, mit dem dann auch alle anderen Betroffenen ihr Recht geltend machen können, verhindert.

Es ist nach Einschätzung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) ein Wettlauf gegen die Zeit. „Am 31. Dezember 2017 läuft die Gewährleistungsfrist aus“, warnt Justitiarin Jutta Gurkmann. Bis dahin werde es wohl kein höchstrichterliches Urteil geben. Der Verband fordert daher von den Wolfsburgern eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist. Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofes rechnet der vzbv frühestens in drei bis vier Jahren. Einen besseren Verbraucherschutz könnte die Einführung einer Musterfeststellungsklage schaffen. Ein Verband dürfte dann einen Einzelfall vor Gericht durchführen. Das dann getroffene Urteil würde dann praktisch für alle gleichlautenden Fälle gelten. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat Justizminister Heiko Maas auch formulieren lassen. Doch anscheinend wird es damit vor der Bundestagwahl nichts mehr, weil er dafür in der großen Koalition keine Mehrheit zusammenbekommt.

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