W-Lan statt Heizdeckenverkauf

Der Fernbusverkehr wächst rasant und die Kunden können günstig reisen. Das Image als Transportmittel für Kaffeefahrten verblasst schnell.

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Von Wolfgang Mulke

10. Mai. 2013 –

Selbst die sonst so kritischen Prüfer der Stiftung Warentest sind sich beim noch jungen Angebot an Fernbusreisen einig. „Die Fahrt in den recht neuen Bussen war immer angenehm“, urteilten die Verbraucherschützer, nachdem sie mit sechs großen Anbietern kreuz und quer durch das Land gefahren sind. Erst seit Jahresbeginn dürfen die Omnibusunternehmen lange Touren anbieten. Das war zuvor weitgehend der Bahn vorbehalten.


Das wichtigste Argument für die Kunden ist der im Vergleich zur Schiene oder dem eigenen Auto günstige Preis für die Touren im Bus. Mit Frühbucherrabatten oder Sonderaktionen locken die Veranstalter vor allem ein junges Publikum an. „Wir bieten die Tickets um 50 bis 70 Prozent billiger an als die Bahn-Normalpreise“, sagt Gregor Hintz vom Unternehmen MeinFernbus. Reisende zahlen für die Fahrt von Essen nach München beispielsweise zwischen 25 Euro und 57,50 Euro. Die Bahn nimmt im ICE bis zu 139 Euro. Den Nachteil einer längeren Reise nehmen die Mitfahrer offenkundig gerne in Kauf. Denn mit kostenlosen W-Lan im Bus, bequemen Sitzen oder Getränkeangeboten sorgen die Anbieter für eine komfortable Reise. Die Warentester notierten vergleichsweise wenige Kritikpunkte, etwa zu enge Toiletten oder gelegentlich unfreundliche Fahrer.


Der Einstieg in dieses neue Geschäft ist also gelungen. Das Angebot wächst von Woche zu Woche. Auf gut 80 Verbindungen taxiert der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer (BDO) den aktuellen Stand. Wie viele Passagiere bislang eingestiegen sind, geben die Firmen nicht bekannt. MeinFernbus zeigt sich aber zufrieden. „Die Auslastung ist über alle Linien betrachtet sehr gut“, versichert Hintz. Die Erwartungen seien deutlich übertroffen worden. Gebucht wird vornehmlich im Internet. Verschiedene Webportale bieten mittlerweile auch Preis- und Leistungsvergleiche an.


17 größere und etliche kleine Busunternehmen teilen den neuen Markt gerade unter sich auf. „Gerade kleine Busunternehmen stehen vor einer großen Herausforderung“, erläutert BDO-Expertin Juliane Steinbrück. Zunächst müssen die gewünschten Strecken genehmigt werden. Die Unternehmen sind dann verpflichtet, ihren Fahrplan auch drei Monate lang aufrecht zu erhalten, selbst wenn kein Passagier einsteigen will. Dazu muss ein Ticketvertrieb aufgebaut und das Angebot bekannt gemacht werden.


Dennoch haben die mittelständischen Busbetreiber Chancen auf dem Fernbusmarkt. Das gängige Geschäftsmodell der Branche baut auf der Zusammenarbeit vieler kleiner Busbetreiber unter einem starken Markendach. MeinFernbus ist ein Beispiel dafür. Das Unternehmen bestimmt die Linien, kümmert sich um Konzessionen und Genehmigungen, erledigt den Ticketverkauf und die Abrechnung. 30 Partnerunternehmen der Busbranche übernehmen den Betrieb. Sie müssen einen vorgegebenen Qualitätsstandard einhalten und ihre Busse im Einheitslook lackieren. Auf diese Weise MeinFernbus einen bundesweiten Busanbieter aufgebaut.


Derartige Kooperationsmodelle müssen gegen die Konkurrenz finanzstarker Großunternehmen bestehen. Aldi mischt mittlerweile mit und die Post will zusammen mit dem ADAC ein Netz von Verbindungen aufbauen. Schon jetzt registriert der BDO den Beginn eines harten Preiswettbewerbs. „Es gibt schon Angebote, bei denen man sich fragt, wie sie wirtschaftlich dargestellt werden können“, beobachtet Steinbrück. Den Kunden dürfte es recht sein.

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