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Wahrer Benzinpreis wieder verschleiert

Ein echter Preisvergleich ist kaum möglich

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Von Wolfgang Mulke

23. Aug. 2016 –

Ein Blick auf die Benzinpreis-App reicht und schon ist die billigste Tankstelle in der Nähe gefunden. 1,19 Euro kostet der Liter Superbenzin dort. Vier Cent mehr sind es beim teuersten Anbieter in der Umgebung. Es ist Freitagabend, 18:30 Uhr. Zwölf Stunden später ist der Preisabstand zwischen der günstigsten und teuersten Tankstelle unverändert. Nur werden für den Liter Sprit wenigstens 1,27 Euro aufgerufen. Im Tagesverlauf wird sich der Preis noch häufig ändern und am Abend wieder auf dem niedrigsten Niveau landen.

 

Mehr Transparenz als auf dem Kraftstoffmarkt scheint nicht möglich. Die Diskussion um Absprachen zwischen den großen Mineralölfirmen ist eingeschlafen, seit sich jedermann rund um die Uhr über die aktuellen Angebote informieren kann. Dafür verantwortlich ist eine Abteilung des Bundeskartellamts mit dem sperrigen Namen Markttransparenzstelle (MTS). Im September vor drei Jahren startete sie den Probebetrieb. Seither müssen alle Tankstellen jede Preisänderung zeitnah melden. Die MTS stellt diese Daten dann privaten Diensten zur Verfügung, die sie veröffentlichen.

54 Informationsdienste verbreiten die Preisliste derzeit per Internet.

 

Doch gehen die Meinungen über die Auswirkungen der MTS auseinander. „Der Wettbewerb hat sich intensiviert“, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV). Tankstellen mit höheren Preisen würden deutlich weniger angefahren. Auch spreche die Vielzahl der Preisänderungen im Verlauf eines Tages für eine große Konkurrenz unter den Anbietern. Tatsächlich ist Benzin in den beiden letzten Jahren deutlich billiger geworden.

 

„Dass die Preise gesunken sind, hat damit nichts zu tun“, relativiert der Kraftstoffexperte des ADAC, Jürgen Albrecht, die These der Ölfirmen. Er führt die Abwärtsbewegung vor allem auf den gesunkenen Ölpreis zurück, der den Einkauf von Benzin für die Tankstellenbetreiber billiger macht. Deren Interesse selbst an kleinen Aufschlägen verdeutlicht eine Zahl. „Wenn ich am Jahresende einen Cent mehr beim Durchschnittspreis durchsetze“, rechnet Albrecht vor, „sind es 600 Millionen Euro mehr Umsatz.“ Der Ökonom Ralf Dewenter von der Uni Hamburg ist ebenfalls skeptisch. „Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Preise möglicherweise gestiegen sind“, sagt der Forscher, der im September dazu eine neue Studie veröffentlichen will. Die MTS habe auch in anderen Ländern keinen Einfluss auf den Preis.

 

Das Bundeskartellamt hat die Auswirkungen der Preistransparenz noch nicht bewertet. Die Behörde hat aber beobachtet, dass die früher üblichen Preissprünge vor Feiertagen im vergangenen Jahr ausgeblieben sind und Kunden das Informationsangebot auch in größerem Umfang nutzen. Noch im Verlauf dieses Jahres will das Wirtschaftsministerium eine Auswertung der bisherigen Erfahrungen vorlegen.

 

Die Behörde hat aber auch festgestellt, dass die Anbieter diese Daten ebenfalls für sich nutzen und neue Preisstrategien entwickelt haben. Dazu gehört die Tiefpreisgarantie der Tankstellenkette HEM. Dabei arbeitet HEM mit der App „Clever-tanken“ zusammen. Wer dort einen günstigeren Anbieter in der Umgebung findet, bekommt den jeweils besten Preis dann auch. „HEM Tankstellen tragen mit der einfach zu verwendenden Tiefpreisgarantie auf dem Handy also zu höherer Preistransparenz und niedrigeren Preisen bei“, teilt eine Sprecherin des Unternehmens mit. Konkurrent Shell konterte den Vorstoß. Inhaber eine Clubcard von Shell erhalten die Garantie, dass sie maximal zwei Cent mehr bezahlen als der billigste Anbieter in der Umgebung. Auch bietet Shell Pauschalangebote, mit denen das Tanken von Premiumkraftstoffen günstiger werden kann. „Wir haben allein seit Einführung der Shell Clubsmart Preisgarantie eine Million zusätzliche Clubsmart Mitglieder“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber.

 

Ökonom Dewenter sieht in Preisgarantien jedoch die Gefahr einer unausgesprochenen Kartellbildung. „Ist die Garantie wirksam, kann dieser Anbieter nicht mehr unterboten werden“, erläutert der Forscher. Denn jede Preissenkung wird umgehend vom Konkurrenten mitgemacht, der Wettbewerb ausgehebelt. „Es könnte eine Situation wie im Kartell entstehen, ohne dass sich die Unternehmen absprechen“, warnt Dewenter. Allein das Signal eines Wettbewerbers, jeden Preis mitzugehen, ohne ihn zu unterbieten, reicht demnach. „Die MTS erleichtert so ein Verhalten übrigens noch, da jede Tankstelle nun in Sekundenschnelle die Preise der Konkurrenz überprüfen und die eigenen Preise anpassen kann“, kritisiert der Wissenschaftler.

 

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