Warum die Wirtschaft Familien braucht

Serie: Familie und Zukunft

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Von Wolfgang Mulke

03. Jan. 2012 –

Die Wirtschaft klagt immer häufiger über fehlende Fachkräfte. Allein in der Informations- und Kommunikationsbranche können nach Angaben des Branchenverbands Bitkom derzeit 10.000 Stellen nicht besetzt werden. Und das ist erst der Anfang. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland wird bis Mitte des Jahrhunderts von mehr als 40 Millionen auf rund 37 Millionen zurückgehen.


Wenigstens ein Teil des Problems ist hausgemacht, weil Frauen noch immer nicht ausreichend ins Arbeitsleben integriert werden. Und dies hat weniger mit mit einem traditionellen Rollenverständnis zu tun. Vielmehr gelingt es den jungen Frauen nicht, berufliche und private Ambitionen miteinander zu verbinden. In einer Forsa-Studie gaben drei von vier Befragten an, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig sei. „Heute arbeiten die Menschen am meisten an ihrer Karriere gerade in dem Alter in dem sie Kinder bekommen und aufziehen“, erläutert der Philosoph Richard David Precht und sieht darin eine Ursache für die permanente Überforderung dieser Generation. Dazu gehört auch eine Veränderung des Familienbildes, das immer häufiger aus Patchwork-Verbünden geprägt ist.


In den Unternehmen kommt diese Botschaft langsam an. Zwischen 2003 und 2009 hat sich der Anteil der Firmen, die keinerlei familienfreundliche Angebote vorweisen können, von fast 20 Prozent auf weniger als ein Prozent verringert. Flexible Arbeitszeiten stehen dabei meist im Zentrum der Bemühungen. Doch die beruflichen Chancen sind zwischen Männern und Frauenweiterhin ungleich verteilt. Laut Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich daran im letzten Jahrzehnt nichts verändert. Frauen stellen insgesamt 44 Prozent der Beschäftigten. In der zweiten Führungsebene beträgt der Anteil nur ein Drittel. In den Chefetagen ist gerade einmal ein Viertel der Angestellten weiblich.


Das wird sich ändern müssen, wenn die Wirtschaft dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel begegnen will. Für die Unternehmen lohnt die Familienfreundlichkeit sogar, wie eine Modellrechnung des Instituts Prognos ergab. Den Kosten für Kinderbetreuung im Betrieb und anderen Aufwand stehen Einsparungen zum Beispiel durch eine geringe Fluktuation in der Belegschaft und einen geringeren Wiedereingliederungs aufwand gegenüber. Unter dem Strich spart die durchschnittliche „Familien-GmbH“ 75.000 Euro im Jahr ein. Das Bundesfamilienministerium geht auch von einem erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen aus. Wenn familienfreundliche Arbeitsbedingungen 30 Prozent der Beschäftigten erreichen, steigt die Wirtschaftsleistung demnach um fast 250 Milliarden Euro. Außerdem fallen in Milliardenhöhre weniger Sozialausgaben in Milliardenhöhe an.


Für eine Förderung der Frauen auf der Karriereleiter spricht auch deren bessere Ausbildung. Mittlerweile stellen sie die Mehrheit der Abiturienten und sind auch an den Universitäten auf dem Vormarsch. Wenn sie danach zuhause bleiben, weil sich Erziehung und Job nicht unter einen Hut bringen lassen, verschenkt die Gesellschaft dringend benötigte Quellen zum Erhalt es Wohlstands. Es gibt also handfeste Gründe für eine bessere Integration der Familien in die Arbeitswelt. „Familienpolitik ist kein weicher Standortfaktor mehr, sondern ein harter“, glaubt auch die Chefin des Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), Jutta Allmendinger.





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