Was darf Google?

Verbraucherministerin will Foto-Shooting in deutschen Städten verhindern

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Von Wolfgang Mulke

09. Feb. 2010 –

Scharfe Töne sind von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner selten zu hören. Eine Ausnahme ist ihre Kritik am Internet-Konzern Google. Eine „millionenfache Verletzung der Privatsphäre“ unterstellt die CSU-Politikerin den Amerikanern. Grund ist deren Vorhaben, die Straßenzüge ganzer Städte und Ortschaften zu fotografieren und die Bilder dann ins weltweite Netz zu stellen. Derzeit fahren die Fahrzeuge des Konzerns landauf, landab durch Häuserschluchten und Dorfkerne. Im Herbst sollen die Ansichten im Netz veröffentlicht werden.

 

Google Street View heißt das Angebot. New York, London oder Teile der Schweiz können Internetnutzer schon bequem vom heimischen Sessel aus durchstreifen. Das finden viele Menschen praktisch, weil sie sich zum Beispiel vor Beginn einer Reise einen ersten Eindruck ihres Hotels und von dessen Umgebung verschaffen können. Doch Aigner sieht die Kehrseite der Medaille. „Niemand darf ohne sein Einverständnis auf den Präsentierteller geraten“, warnt sie und listet eine ganze Reihe von Bedenken auf. Kriminelle könnten mit Hilfe des Dienstes nach lohnenswerten Einbruchsobjekten Ausschau halten, rabiate Männer Frauenhäuser suchen, in die sich geschundene Partnerinnen gerettet haben.

 

Die Skepsis ist weit verbreitet. Derzeit debattieren die Schweriner Stadtverordneten, Google die Veröffentlichung von Bildern sensibler Gebäude wie Kindergärten oder Schulen zu verbieten, wenn demnächst die Filmteams des Konzerns anrollen. In vielen anderen Kommunen wächst ebenfalls Widerstand heran. Einige wollen zumindest von ihrer Nabelschau profitieren und Google Sondernutzungsgebühren abknöpfen. Grundstücksbesitzer unterstützen Aigner auch. „Google muss die Hauseigentümer vorher fragen“, fordert der Sprecher des Verbands Haus & Grund, Alexander Wiech.

 

Die Verbraucherministerin will den Dienst praktisch unmöglich machen. Aigner verlangt, dass Google gesetzlich gezwungen wird, vor der Veröffentlichung der Bilder von jedem Hauswirt und Mieter eine Genehmigung dafür einzuholen. Dazu sollen alle Menschen und Autos auf den Bildern unkenntlich gemacht und die Aufnahmehöhe der Kamera auf 1,80 begrenzt werden. Momentan hängt der Apparat in einer Höhe von 2,50 Meter und kann so locker über Hecken und Gartenmauern hinwegschauen. Indirekt ruft die Ministerin auch zum Boykott des Dienstes auf: „Ich empfehle allen Betroffenen, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen.“ Einen Musterbrief hat das Ministerium schon auf seine Webseite gestellt.

 

Nun sollen sich die zuständigen Ministerien über eine gesetzliche Regelung Gedanken machen. Großen Enthusiasmus legen dabei aber weder das Innen- noch das Justizministerium an den Tag. Die Rechtslage werde geprüft, lassen beide Häuser verlauten. Von sich aus kann Aigner nicht tätig werden. Google selbst versteht die Aufregung nicht. „Das Fotografieren ist rechtskonform und erlaubt“, versichert der Europa-Sprecher des Unternehmens, Kay Oberbeck. Dies hätten auch die deutschen Datenschutzbehörden so eingeschätzt. Bilder aus 18 Ländern würden bereits veröffentlicht.

 

Der Konzern verweist zudem auf das freiwillig eingeräumte Widerspruchsrecht. Leicht können Hauseigentümer oder Mieter auf der Internetseite gegen die Veröffentlichung eines Fotos von ihrem Grundstück votieren. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) spricht von einer ungewissen Rechtslage. Die entscheidende Frage ist, wo der öffentliche Raum, der problemlos abgelichtet werden kann, endet und die Privatsphäre beginnt.

 

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