Was die Bürger für die Energiewende zahlen

Sind die Verbraucher die Lastesel der Ökostrom-Politik?

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Von Hannes Koch

30. Aug. 2012 –

Im Namen der Bürger findet Deutschlands oberster Verbraucherschützer deutliche Worte. Gerd Billen hält das, was die Regierung gerade beschlossen hat, für „Geldmacherei auf dem Rücken der Verbraucher“. Der Anlass für seinen Ärger: Kanzlerin Merkel und ihr Kabinett wollen den privaten Haushalten und kleinen Firmen eine zusätzliche Umlage zur Finanzierung der Windparks auf dem Meer aufbrummen. Sind die Bürger die Lastesel der Energiewende?

Der Offshore-Streit
Wenn Windparks auf Nord- und Ostsee beispielsweise wegen technischer Probleme nicht rechtzeitig ans Netz gehen können, soll die Allgemeinheit den Firmen einen Teil des Schadens bezahlen. So hat es die Regierung am vergangenen Mittwoch beschlossen. „Eigentlich sollten die privaten Firmen für ihre Fehler selbst aufkommen. Mit der Offshore-Umlage hebelt die Regierung dieses Prinzip aus“, sagt dazu Holger Krawinkel, Energiexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Das ist ein weiterer Beleg, wie die Kosten der Energiewende auf die Bürger abgewälzt werden.“

Was die Verbraucher bezahlen
Stimmt Krawinkels Argument? Etwa 3,8 Cent pro Kilowattstunde müssen Privathaushalte und kleine Betriebe aktuell für die Energiewende zahlen. Darin enthalten sind drei Umlagen für Ökostrom, Kraftwärmekopplung und Netzkosten. Hinzu kommt möglicherweise bald die Offshore-Umlage von 0,25 Cent – macht zusammen rund 4,1 Cent. Die gesamten Kosten für einen Privathaushalt betragen aber 25,7 Cent pro Kilowattstunde Strom. Davon beansprucht die Energiewende also etwa 16 Prozent.
Gegenrechnen muss man, dass das große Stromangebot aus Ökokraftwerken den Strom insgesamt billiger macht. Es drückt den Preis um etwa 0,5 Cent pro Kilowattstunde. So würde die Ökoförderung rechnerisch nur noch 3,6 Cent betragen. Wohlgemerkt: Diese Kosten werden bald steigen. 5,5 Cent sind nicht unrealistisch. Dann betrüge der Öko-Anteil am Strompreis 22 Prozent.

Viele Firmen sind befreit
Für die privaten Verbraucher beträgt die Öko-Umlage heute auch deshalb 3,8 Cent, weil sie für viele Unternehmen mitbezahlen, die fast nichts beitragen. Die Regierung wird dieses Jahr bis zu 2.000 Unternehmen von der Öko-Umlage befreien. Das Kalkül: Die Arbeitsplätze sollen geschützt werden. In den Genuss der Vergünstigung kommen die Firmen, die mehr als eine Gigawattstunde jährlich brauchen – soviel wie etwa 300 Privathaushalte. Würden die Firmen die Umlage selbst bezahlen, sänke die Belastung der Privathaushalte um 0,6 Cent, so Uwe Leprich, Ökonomie-Professor in Saarbrücken. Verbraucherschützer beklagen deshalb die ungerechte soziale Verteilung.

Die Hälfte für die Firmen
Der große Teil der Stromkosten hat mit der Energiewende nichts zu tun. Von den 25,7 Cent einer Kilowattstunde gehen gut 14 Cent an die privaten Unternehmen, die den Strom herstellen und verteilen. Ihr Anteil beläuft sich damit auf 55 Prozent. Dieser Posten ist auch ein wesentlicher Grund für die Erhöhung des Strompreises seit dem Jahr 2000. Die Unternehmen schlugen 5,5 Cent pro Kilowattstunde drauf – erheblich mehr als die Öko-Umlage.

Die Staat kassiert
Natürlich beansprucht auch der Staat seinen Teil – etwa 30 Prozent, gegenwärtig etwa knapp acht Cent pro Kilowattstunde (Stromsteuer, Mehrwertsteuer, Konzessionsabgabe). Diese Steuern haben mit der Energiewende ebenfalls nichts zu tun. Ähnliche Abgaben erhebt der Staat auf alle Produkte und Dienstleistungen. Schließlich braucht er Geld, um die Kitas, Schulen und Polizisten bezahlen.

Lernt die Politik?
Vor zehn Jahren setzte die Solarlobby durch, dass die Kilowattstunde Sonnenstrom anfangs mit fast 60 Cent gefördert wurde – bei einer Laufzeit pro Anlage von 20 Jahren. Dadurch sind mittlerweile Milliarden-Kosten aufgelaufen. Diese belasten auch die Privatverbraucher. Energie-Experte Krawinkel sagt: „Die Energiewende ist grundsätzlich richtig, aber die Politik hat sie ineffizient zu teuer gemacht. Die Solarindustrie wurde überfördert. Dieser Fehler wurde nun spät korrigiert. Jetzt aber droht eine ähnliche Kosten-Falle bei der Offshore-Windenergie.“

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