Wasser in Privathand kann teuer werden

Städte und Gemeinden befürchten Privatisierungszwang / Kommunen machen oft schlechte Erfahrungen mit Wasserunternehmen

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Von Wolfgang Mulke

07. Feb. 2013 –

Städte und Gemeinden sind derzeit sehr besorgt. Grund ist eine von der EU-Kommission geplante Richtlinie. Darin werden die Bedingungen für die Vergabe von Konzessionen an Privatunternehmen festgelegt. „Wir müssen damit rechnen, dass diese Richtlinie der Privatisierung im Wasserbereich Tür und Tor öffnet“, warnt Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der auch Präsident des Deutschen Städtetages ist. Die Kommunen befürchten, dass in diesem Fall die Preise steigen und Investitionen in die Infrastruktur zurückgefahren werden.


Der zuständige EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Michel Barnier, sieht diese Gefahr nicht. „Der Richtlinienvorschlag enthält keine Verpflichtung zur Vergabe dieser Leistungen am Markt“, beschwichtigt er. Das ist zwar faktisch richtig, doch in der Praxis könnte dies schon ganz anders aussehen. Denn der Entwurf verlangt eine Ausschreibung der Wasserversorgung immer dann, wenn diese nicht von einer nur dazu gegründeten rein kommunalen Gesellschaft übernommen wird. Das ist in Deutschland oft nicht der Fall. Es gibt vielerorts Stadtwerke, die zum Beispiel auch die Energie liefern oder zusammen mit Privatfirmen in anderen Bereichen Dienstleistungen anbieten. In diesen Fällen müssten die Städte und Gemeinden Konzessionen für die Wasserversorgung ausschreiben.


Über den Nutzen einer Öffnung des Marktes für die Bürger gehen die Meinungen auseinander. Die bisherigen Beispiele lassen nicht nur Ude zweifeln. Die Hoffnung auf sinkende Preise habe sich weder in Frankreich noch in England erfüllt, erläutert der Politiker. Das Gegenteil sei der Fall. In Frankreich wird Trinkwasser und Abwasser traditionell durch Drittfirmen bewirtschaftet. Dafür vergeben die Kommunen Konzessionen an große Wasserkonzerne wie Veolia. Die Folgen bekamen zum Beispiel die Bewohner der Hauptstadt Paris zu spüren. Die Preise stiegen immer weiter an, bis die Stadt reagierte und die Versorgung 2009 an sich zog.


In Großbritannien ging die Politik einen radikalen Weg und privatisierte das Wassergeschäft komplett mitsamt den Leistungsnetzen. 1999 kauft der deutsche Versorger RWE einen Großteil des Londoner Netzes. Die Qualität der Versorgung verschlechterte sich immer weiter. Mitunter tröpfelte das nasse Gut nur noch mit geringem Druck aus dem Hahn. Fast ein Drittel des Wassers ging durch Lecks in den Leistungen, in die nur wenig investiert wurde, verloren. Der Londoner Bürgermeister Ken Livingston gab seinen Einwohnern den sarkastischen Rat, auf die Klospülung zu verzichten und das Wasser stattdessen für den Tee aufzusparen. Als es zu schlimm wurde, richtete die Regierung schließlich eine Regulierungsbehörde ein, die Investitionen verlangte. RWE zog sich Mitte des letzten Jahrzehnts deshalb wieder aus London zurück.


Auch die Berliner können ein garstiges Lied von der Privatisierung singen. Um die leere Stadtkasse zu füllen, veräußerte der Senat 1999 knapp die Hälfte der Anteile an seinen Wasserbetrieben an die Unternehmen Veolia und RWE. Seitdem stiegen die Wasserpreise um 35 Prozent, denn die Kaufverträge sahen Garantierenditen für die Konzerne vor, die die Haushalte an der Spree aufbringen mussten. Die Bürger rebellierten schließlich und forderten die Offenlegung der Verträge und den Rückkauf des Unternehmens. Der Senat kaufte RWE nun die Anteile ab. Mit Veolia wird noch gesprochen. Die Wasserpreise sollen um 15 Prozent gesenkt werden, auch weil das Bundeskartellamt dies so verfügt hat. Das hohe Preisniveau bleibt den Berlinern aber weiter erhalten. Schließlich muss auch der Rückkauf finanziert werden.


Städte im Ruhrgebiet haben Gelsenwasser zurückgekauft, Potsdam ihre alten Wasserbetriebe. Immer wieder erwiesen sich Privatisierungen als schlechte Lösung. Doch auch der Betrieb durch die öffentliche Hand bedeutet nicht zwangsweise niedrige Preise. Das Kartellamt hat zum Beispiel auch die Stadtwerke Mainz zu einer Preissenkung um 15 Prozent zum Jahresanfang zwingen müssen. Das Unternehmen gehört ganz der Stadt.


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