Weitere Mindestlöhne können kommen

Hauptausschuss zur Auswahl von Branchen ohne Tarife nimmt Arbeit auf

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Von Wolfgang Mulke

15. Sep. 2009 –

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz will in weiteren Branchen Mindestlöhne durchsetzen. Dabei soll das aus dem Jahr 1952 stammende Mindestarbeitsbedingungengesetz helfen. Es sieht, vereinfacht gesagt, eine staatliche Vorgabe von Lohnuntergrenzen in einzelnen Branchen und Regionen vor. Welche Wirtschaftszweige sich dem Diktat beugen müssen, bestimmt ein Hauptausschuss, der an diesem Dienstag in Berlin die Arbeit aufnahm. „Mindestlöhne sind ein Kernelement sozialer Gerechtigkeit“, verteidigt Scholz den Eingriff.

 

Das Verfahren ist kompliziert. Zunächst sucht der Ausschuss nach Branchen, in denen für weniger als die Hälfte der Beschäftigten ein Tarifvertrag gilt. Denn nur dann darf das Gesetz angewendet werden. Vorsitzender des Gremiums ist der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Die Mitglieder kennen sich allesamt bestens aus. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz gehört ebenso dazu wie SDGB-Chef Michael Sommer, Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt oder Handwerksvertreter Otto Kentzler.

 

Die Experten können dem Arbeitsministerium Sparten vorschlagen, für die ein Mindestlohn eingeführt werden sollte. Stimmt die Bundesregierung zu, wird ein Fachausschuss eingerichtet, der von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern dominiert wird. Die Branchenkenner ermitteln dann eine angemessene Lohnuntergrenze, die eventuell regional unterschiedlich ausfallen kann. Einigt sich die Runde, bringt die Regierung den Mindestlohn per Verordnung auf den Weg bringen.

 

Unklar ist, welche Branchen dafür in Frage kommen. Scholz hat schon einmal die Fleischindustrie ins Spiel gebracht, auch im Gastgewerbe könnte die Regelung wohl angewendet werden. Die Erfolgsaussichten werden unterschiedlich bewertet. „Das Gesetz ersetzt nicht den flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn“, warnt der DGB-Chef vor allzu hohen Erwartungen. Die Union sieht dagegen in den nach Sparten und Regionen differenzierten Lohngarantien den besten Weg. Die Forscher der Böckler-Stiftung sehen die Reglung kritisch. Es könne ein Flickenteppich an sektoralen und regionalen Mindestlöhnen kommen, der schwer zu kontrollieren sei.

 

An anderer Stelle nimmt ein Garantielohn inzwischen konkretere Formen an. Arbeitgeber und Gewerkschaften der Pflegeberufe wollen für die Betreuung von Alten und Kranken einen Mindestlohn einführen. Die im Arbeitgeberverband organisierten Unternehmen stellen sich eine Untergrenze von 8,50 Euro im Westen und 7,50 im Osten vor. Sollten sich beide Seiten einigen, kann der Stundensatz für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann müssen auch alle anderen Branchenunternehmen so viel bezahlen.

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