Weniger Jobs, mehr Privatinsolvenzen

Die Fälle privater Überschuldung nehmen zu. Zuwachs in Brandenburg um 35 Prozent im Jahr 2009. Eine Ursache ist die Einkommenseinbuße infolge der Wirtschaftskrise. Mit materieller Risikobereitschaft und Unvorsichtigkeit tragen Verbraucher aber auch eigene

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Von Hannes Koch

25. Feb. 2010 –

45.000 Euro Schulden können schon unter normalen Umständen eine schwere Bürde sein. Für Walter Schmidt* aber war die Belastung nicht mehr zu tragen. Etwa 750 Euro für Zinsen und Tilgung musste er pro Monat zahlen. Als ihn sein brandenburgischer Arbeitgeber, eine Metallfirma bei Luckenwalde, dann entließ, war für Schmidt klar: Er kann die Raten nicht mehr bedienen.


Schmidts Geschichte ist ein typischer Fall für Frank Wiedenhaupt, Schuldnerberater beim Arbeitskreis Neue Armut in Berlin-Neukölln: „Wenn Kurzarbeit oder Erwerbslosigkeit hinzukommen, ist für viele das Stadium der Überschuldung erreicht.“ Und die Zahl dieser Fälle wächst. Eine wesentliche Ursache ist die Wirtschaftskrise. Lohnkürzungen und Jobverlust steigen zwar nicht dramatisch an, aber sie nehmen zu.


In der Folge ist auch die Zahl der Privatinsolvenzen im vergangenen Jahr bundesweit um knapp neun Prozent auf 131.000 Fälle gestiegen. Das berichtete jetzt die Wirtschaftsauskunftei Bürgel in ihrem Schuldenbarometer 2009.


Der Begriff „Privatinsolvenz“ beschreibt ein gesetzlich geregeltes Verfahren, in dessen Rahmen sich die Schuldner einer strengen Verwaltung und Begrenzung ihres Einkommens unterziehen müssen, um nach frühestens sechs Jahren von der Restschuld befreit zu werden.


Bevor Wiedenhaupt den Ratsuchenden bei diesem Schritt hilft, sucht er freilich andere Lösungen. Er nimmt Kontakt zu den Gläubigern auf, um Zins und Tilgung zu reduzieren. „Oft lassen die aber nicht mit sich reden“, so Wiedenhaupt. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, begleitet er seine Klienten ins Verfahren der Verbraucherinsolvenz, das einerseits harte Einschränkungen mit sich bringt, andererseits aber auch die Hoffnung auf den späteren Neustart birgt.


Die Schuldner sind allerdings nicht nur Opfer, wie der Berater weiß. In vielen Fällen tragen die Überschuldeten auch eine persönliche Verantwortung. Allzu schnell finanzierten sie Fernseher, Musikanlagen oder Urlaube mittels Krediten. Nicht wenige hantieren auch mit revolvierenden Kreditkarten der Citibank oder des britischen Instituts Barclays, bei denen die Schulden nicht jeweils am Monatsende beglichen, sondern aufgehäuft werden. „Lieber ansparen, als finanzieren“, rät Wiedenhaupt deshalb.


Auch Gastronom Peter Winschek* aus Berlin-Kreuzberg machte einen Fehler. Jahrelang verdiente er mit seinem Restaurant gut, versäumte es aber, Geld für schlechte Zeiten zurückzulegen. Dann plötzlich blieben die Kunden aus, was auch mit der im Jahr 2009 spürbaren Wirtschaftskrise zu tun hatte. Nun stehen Winscheks finanzielle Kredit-Verpflichtungen von rund 120.000 Euro im Jahr einem Umsatz in gleicher Höhe gegenüber – eine untragbare Situation. Der einzige Weg: Insolvenz. Als persönlich haftender Eigentümer hat auch Peter Winschek die Aussicht, nach sechs Jahren die Befreiung von der restlichen Schulden zu erhalten, die er bis dahin nicht abbezahlen kann.


Für das Jahr 2010 rechnet Schuldenberater Wiedenhaupt mit einer steigenden Zahl von Privatinsolvenzen. Hier werde sich die im Zuge der Wirtschaftskrise zunehmende Erwerbslosigkeit niederschlagen. Aber es gibt auch positive Nachrichten. Für viele Verbraucher, die nicht von Kurzarbeit, Jobverlust oder Einkommenseinbußen betroffen sind, gestaltet sich die Lage günstiger. Das hat unter anderem mit den Betriebs- und Heizkosten für ihre Wohnungen zu tun. Diese sind im vergangenen Jahr im Gegensatz zu 2008 gesunken. Deshalb können sich zahlreiche Mieter in 2009 auf Rückzahlungen freuen, die ihre finanzielle Situation verbessern.


* Name geändert


Info-Kasten

Im Jahr 2008 gingen 120.000 Verbraucher in Privatinsolvenz, im vergangenen Jahr waren es 130.000. Den größten prozentualen Zuwachs verzeichnete mit 58 Prozent das Saarland. Die meisten Insolvenzen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl registrieren die Schuldnerberatungen in Bremen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und dem Saarland (mindestens 180 Fälle pro 100.000 Einwohner). Die wenigsten gibt es in Bayern (119), Baden-Württemberg (129) und Thüringen (112). Dies hat nicht nur mit der ökonomischen Lage des jeweiligen Landes zu tun, sondern auch mit der Zahl der Beratungsstellen. Nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Thüringen ging die Zahl der Privatinsolvenzen gegenüber 2008 zurück.

www.buergel.de/presse/studien-analysen/444-schuldenbarometer-2009.html

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