Weniger Prügel und mehr Betrug bei der Bahn

Konzern bekämpft Kriminalität auf vielen Ebenen / Fahrkartenautomaten werden für Kreditkartenbetrug manipuliert

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Von Wolfgang Mulke

15. Nov. 2011 –

In den Zügen und auf den Bahnhöfen der Deutschen Bahn geht es in diesem Jahr weniger ruppig zu. Die Zahl der Körperverletzungen geht zurück. Bis Ende September verzeichnete der Konzern knapp 1.200 Prügelattacken, 17 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Zwei von drei Taten geschehen rund um Großereignisse wie Fußballspielen, Konzerten oder dem Oktoberfest. „Wir haben mehr Sicherheitskräfte im Einsatz, nachts und am Wochenende“, begründet der Chef der Konzernsicherheit, Gerd Neubeck, den positiven Trend.


Dafür leben die Angestellten der Bahn immer gefährlicher. In den ersten neuen Monaten stieg die Zahl der Übergriffe, vor allem auf Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, um elf Prozent auf 515 an. Dies liege auch an der verstärkten Präsenz des Schutzpersonals an den Brennpunkten, sagt Neubeck. Von Uniformen lassen sich die Täter längst nicht mehr abhalten. In Berlin müssen die Fahrgäste am meisten aufpassen. Mit 275 angezeigten Delikten steht die Hauptstadt vor Bayern und Hamburg an der unrühmlichen Spitze der Tabelle. In Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland ist es am friedlichsten.


Kriminalität macht der Bahn an vielen Stellen schwer zu schaffen. Graffitis oder Wutattacken verursachen jährlich rund 50 Millionen Euro Schaden. Die Täter gehen bisweilen mit einer erheblichen kriminellen Energie zu Werke und verschaffen sich gewaltsam Zugang zu den Zügen, die sie bemalen wollen. Auch der Diebstahl von Oberleitungen oder anderen Metallteilen ist ein großes Problem. In diesem Jahr verschwinden 30 Prozent mehr Buntmetalle von den Strecken. „Die Diebstähle hängen sehr stark mit der Entwicklung der Kupferpreise zusammen“, erläutert Neubeck. 500 Täter wurden bisher gefasst. Mal ist der Vater mit dem Sohn auf Tour, mal beschaffen sich Drogenabhängige Handelsware, mal fahren organisierte Banden ganze Oberleitungen davon. Besonders betroffen sind NRW wegen des dichten Netzes, das gut angefahren werden kann, und die Regionen an den Ostgrenzen.


Der Chefermittler der Bahn, Erik Liegle, beobachtet noch einen neuen Trend. Nach Bank- und Tankautomaten sind jetzt Fahrkartenautomaten ins Visier von Kreditkartenbetrügern geraten. Diese werden manipuliert, um Daten wie die Pin auszuspionieren. „Ein Kunde kann ein Falsifikat mit Minikamera kaum erkennen“, warnt Liegle. Die so beschafften Informationen werden per Funk in andere Länder übertragen und von dort aus sofort zum Plündern des Kontos genutzt. Auch der Konzern selbst wird oft zum Opfer. Im Internet bieten Kriminelle gefälschte Fahrkarten an. Auch die Bahn-Card wird gerne nachgemacht. Dabei gehen die Täter so geschickt vor, dass die Tickets bei der Kontrolle nicht erkannt werden.


Das ganz große Rad wird jedoch auf Baustellen oder in dunklen Hinterzimmern gedreht. Die Bahn kauft jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr als 20 Milliarden Euro ein. Immer wieder stoßen die Kontrolleure auf Korruption und falsche Leistungsabrechnungen. Auch Kartelle verursachen gewaltige Schäden. Zuletzt flogen die so genannten „Schienenfreunde“ auf. Hersteller von Material für die Fahrwege haben ihre Angebote über Jahre abgesprochen und die Investitionen der Bahn in einer Duisburger Pizzeria untereinander verteilt. Die Staatsanwaltschaft ermitteln nach Angaben des Kartellbeauftragten der Bahn, Christopher Rother, derzeit gegen 30 Firmen und 100 Tatverdächtige. „Es gibt hier fast mafiöse Strukturen“, berichtet der Aufklärer. Wahrscheinlich hat der Konzern wegen des abgekarteten Spiels einen dreistelligen Millionenbetrag zu viel für die Schienen bezahlt. Das Geld will Rother von den Herstellern nun zurückhaben.



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