Wenn Busse und Franzosen kommen

Die Deutsche Bahn muss sich auf Wettbewerb einstellen / Bald mit dem Zug schnell nach Südfrankreich

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

30. Okt. 2009 –

 

Mit mehr als 300 Stundenkilometern rast der ICE über die Gleise von Köln nach Brüssel. Keine zwei Stunden benötigt der Hochgeschwindigkeitszug in die europäische Hauptstadt. Von dort aus geht es mit dem Euro Star ebenso schnell weiter unter dem Ärmelkanal durch nach London.  Auch auf der Schiene rückt Europa allmählich eng zusammen.

 

Von Stuttgart oder Frankfurt aus gelangen Bahnreisende in weniger als vier Stunden nach Paris. Die vor zwei Jahren eröffnete Strecke haben inzwischen rund 2,5 Millionen Fahrgäste erprobt und die Bahn den Flugzeugen ein Viertel der Kundschaft abgejagt. Im August kam der gemeinsam von der Deutschen Bahn und der französischen SNCF gemeinsam betriebene Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Südroute nach Baden-Württemberg gar auf einen Marktanteil von gut 60 Prozent.

 

Dennoch ist der Ulrich Homburg, der im Vorstand der Deutschen Bahn für den Personenverkehr verantwortlich ist, nicht zufrieden. “Alle dürfen in Deutschland fahren, aber wir dürfen nicht überall Verbindungen anbieten”, prangert der Manager die weitgehend abgeschotteten Schienenwege jenseits der Grenzen an. Die Rechtslage ist unübersichtlich. Eigentlich hat die EU die Liberalisierung des Schienenverkehrs ab 2010 beschlossen. Öffnen müssen sich die Trassen jedoch noch für den grenzüberschreitenden Verkehr, wie die Verbindung von Frankfurt und Paris. Das reine Inlandgeschäft kann jedes EU-Land so regeln, wie es will. Bis auf Deutschland, Großbritannien und Schweden haben alle Länder ihre Bahnen vor neuen Konkurrenten als dem Ausland geschützt.

 

Die Deutsche Bahn hat damit ein Problem mehr. Im heimischen Regionalverkehr verliert sie Aufträge, weil die Töchter großer ausländischer Bahnkonzerne bei Ausschreibungen mit bieten und immer mehr Aufträge im Nahverkehr gewinnen. Zugleich kann die Bahn den Wettbewerb nicht in die Heimatländer der Rivalen tragen, weil sie dort nicht erwünscht ist. Nun droht die SNCF gar mit einem Frontalangriff auf deutschem Terrain. Zum Fahrplanwechsel Ende nächsten Jahrs hat Keolis, die deutsche Tochter der Franzosen, mehrere Trassen beantragt. Der Bahnvorstand ist höchst alarmiert, denn bislang hat sie im Fernverkehr praktisch eine Monopolstellung.

 

Noch kooperieren die beiden Schienengiganten, die beide gerne das größte Bahnunternehmen der Welt werden wollen. Sollten die SNCF tatsächlich in Deutschland lukrative Strecken bedienen wollen, dürfte es mit der Zusammenarbeit schnell vorbei sein. Dabei ist auch die Deutsche Bahn im Ausland höchst rege, auch in Frankreich. 2011 wird eine Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Belfort und Dijon fertig gestellt. Damit kann der Südwesten Deutschlands auch mit Südfrankreich verbunden werden. Die Bahn will mittelfristig Marseille und vielleicht auch Nizza ansteuern. Dies käme einem Gegenangriff auf die SNCF gleich.

 

Auch in England hat die Bahn bereits ein Stück des Kuchens ergattert. Das Tochterunternehmen Chiltern Railways bringt Pendler von Birmingham und den Londoner Vororten in die Hauptstadt. Die Insel ist neben Deutschland der größte Markt in Europa. In Polen und Italien ist die Bahn aufgrund der nationalen Eigenheiten weniger erfolgreich. Gerade wurde die Zusammenarbeit mit der italienischen Bahn bei Fahrten über den Brenner gekappt. „Die Qualität stimmte nicht“, erläutert Homburg. Schmutzige und unpünktliche Züge haben die Fahrgäste vergrault. Demnächst fährt die Bahn mit eigenen Zügen über die Alpen nach Verona oder Bologna.

 

Wachsende Konkurrenz droht der Bahn auch auf der Straße. Die schwarzgelbe Koalition will den Busfernverkehr für alle frei geben. Das könnte die Bahn hart treffen, weil vor allem Fahrgäste mit wenig Geld auf die preisgünstigeren Busse umsteigen könnten. Da Omnibusse von der Maut befreit sind, können sie mit geringen Kosten einen Linienverkehr aufziehen. Bisher ging dies nicht.

 

« Zurück | Nachrichten »