Wenn Firmen um die Ecke klagen

Investoren-Klagen gegen Gesetze sollen durch das geplante EU-USA-Handelsabkommen nicht möglich sein, sagt die EU-Kommission. Stimmt das?

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Von Hannes Koch

17. Feb. 2014 –

Das Klagerecht für ausländische Investoren soll beschränkt werden. Mit dieser Botschaft wendet sich die EU-Kommission gegen die Kritiker des Freihandelsabkommens mit den USA. Am Montag und Dienstag dieser Woche treffen sich die offiziellen Delegationen erneut in Washington.

 

Das geplante Freihandelsabkommen soll den Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Wissen zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten des Globus erleichtern. Grüne, Linke, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Organisationen wie Attac üben jedoch zunehmende Kritik. Umstritten ist unter anderem, dass Regelungen zum Schutz ausländischer Investitionen in das Abkommen aufgenommen werden. Beispielsweise US-Unternehmen könnten dann vor speziellen Schiedsgerichten gegen die Bundesregierung klagen – möglicherweise auch gegen Gesetze, so die Befürchtung.

 

Um den Vertrag zu retten, geht die EU-Kommission jetzt in die Offensive. So kam in der vergangenen Woche EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero nach Berlin. Rupert Schlegelmilch, Direktor beim EU-Handelskommissar, betont gegenüber dieser Zeitung, dass die neuen Regeln nicht weniger, sondern mehr Sicherheit vor ungerechtfertigten Klagen von Firmen bieten sollen.

 

Schlegelmilch nennt ein Beispiel: Der US-Tabakkonzern Philip Morris verklagt gegenwärtig die Regierung von Australien, denn diese will Schriftzüge von Zigarettenpackungen verbannen. Weil Australien aber keinen Streitschlichtungsmechanismus in sein Handelsabkommen mit den USA aufgenommen hat, nutzt Philip Morris nun offenbar eine eigene Briefkastenfirma in Hongkong. So klagt der Konzern auf Basis eines Abkommens zwischen Hongkong und Australien, das die Einrichtung von Schiedsgerichten ermöglicht.

 

"Solche Um-die-Ecke-Klagen sind grundsätzlich auch gegen Deutschland möglich", sagt EU-Direktor Schlegelmilch. "Die älteren Investitionsschutzverträge vieler europäischer Staaten, auch Deutschlands, bilden dafür eine Grundlage. Deshalb wollen wir diese Variante unter anderem im Abkommen mit den USA ausschließen und durch klarer formulierte Regeln verhindern, dass Gesundheitsgesetze von Konzernen angegriffen werden."

 

Kritiker Bernd Lange, SPD-Abgeordneter im Europa-Parlament, fordert dagegen, "keinen Streitschlichtungsmechanismus in das USA-EU-Abkommen aufzunehmen. Statt internationale Schiedsgerichte für Investoren zu etablieren, die ungerechtfertigte Klagen ermöglichen, sollte auch für ausländische Investoren der ordentliche Rechtsweg über nationale Gerichte gelten."

 

Schlegelmilch weist dieses Argument zurück: "Firmen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten befürworten Schiedsgerichte, weil sie in Ländern mit weniger entwickelten oder weniger zuverlässigen Rechtssystemen darin einen notwendigen Schutz ihrer Investitionen sehen." Gemeint sind etwa Pakistan oder China. Er fügt hinzu: "Vor diesem Hintergrund braucht die EU eine konsistente Politik. Regierungen wichtiger Schwellenländer würden nicht verstehen, warum sie die Einrichtung eines Schiedsgerichtes akzeptieren sollen, wenn im EU-USA-Abkommen keines vorgesehen wäre."

 

Grundsätzlich sagen die Vertreter der EU-Kommission, dass der geplante Schutz für ausländische Investitionen nur wenige mögliche Streitpunkte umfasse. So sollen US-Unternehmen klagen können, wenn die EU eine Fabrik enteigne, ohne Entschädigung zu zahlen. Die Konzerne dürften aber nicht vor das Schiedsgericht ziehen, heißt es in Brüssel, wenn zum Beispiel ein Mitgliedstaat ein Gesetz beschließe, dass den Unternehmensgewinn sinken lasse.

 

Mancher glaubt freilich nicht an dieses Versprechen. So veröffentlichte der Informationsdienst Euractiv unlängst eine Einschätzung zum kürzlich abgeschlossenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. In diesem Text, so Euractiv, seien Firmenklagen gegen staatliche Gesetze nicht ausgeschlossen.

 

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Schiedsgerichte

Das geplante EU-USA-Freihandelsabkommen soll unter anderem ermöglichen, spezielle Gerichte einzusetzen, die Rechtsstreits zwischen US-Firmen und EU-Regierungen oder umgekehrt entscheiden. Die US-Regierung und die EU-Kommission würden bespielsweise jeweils drei Personen benennen, die einem solchen Gericht angehören, etwa Jura-Professoren. "Die Schiedsgerichte werden transparent arbeiten, ihre Verhandlungen öffentlich sein", sagt EU-Handelsdirektor Rupert Schlegelmilch.

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