• Wirtschaftsprofessor Christian Wey
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„Wer vertraut, ist der Dumme“

Die Wissenschaft hat das Verhalten der Anleger als Forschungsfeld entdeckt. Professor Christian Wey befasst sich beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit der Frage, warum der mündige Verbraucher eine Mär ist und Sparer oft unvernünftig h

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Von Wolfgang Mulke

23. Nov. 2009 –

Frage: Alle Sparer wissen, dass man Angebote vergleichen muss und hohe Zinsen auch mit einem hohen Risiko verbunden sind. Trotzdem fallen Anleger immer wieder auf Versprechen herein. Sind die Menschen nicht lernfähig?

 

Christian Wey: Das ist zu pauschal. Einige Anleger sind bestens informiert und treffen sehr gute Entscheidungen. Problematisch sind die Leute, die weder über Anlagemöglichkeiten noch über Risiken Bescheid wissen. Gerade bei der Altersvorsorge geht es um langfristige Verträge und langfristige Risiken. Da gibt es verhaltenswissenschaftliche Probleme aus denen oft irrationale Entscheidungen erwachsen. Ein Beispiel ist die extreme Aversion gegen Unsicherheiten. Diese Verbraucher versichern sich gegen alles Mögliche und sparen übermäßig für das Alter. Ein anderes psychologisches Phänomen ist die so genannte hyperbolische Diskontierung, das heißt, die Zukunft wird extrem gering bewertet, zum Beispiel das Risiko von Altersarmut gravierend unterschätzt. Ein weiteres großes Problem ist das Misstrauen. Zu viele bleiben dem Anlagemarkt fern, weil sie den Angeboten und den Beratern nicht trauen. Das ist auch berechtigt. Wer vertraut und nicht nachprüfen kann, ist sicher der Dumme.

 

Frage: Kaum jemand befasst sich gerne mit Finanzthemen. Aber jeder müsste vorsorgen. Sind Finanzprobleme im Alter dadurch vorprogrammiert?

 

Wey: Vielen ist ein Auto heute wichtiger als 1000 Euro mehr in 30 Jahren. Psychologisch ist der spätere Gewinn nichts wert. Deshalb sind Sozialsysteme übrigens meistens Zwangssysteme. Der Staat zieht sich aus der Altersvorsorge zurück. Damit ist eine massive Altersarmut absehbar. Denn der Staat wird sein Versprechen nicht halten können, dass jeder Rentner ein auskömmliches Einkommen haben wird. Aber hier kommt wieder die Psychologie ins Spiel. Der Mensch orientiert sich in seinen Erwartungshaltungen an heutigen Zuständen und der Vergangenheit. Jeder kann zum Arzt gehen, hat eine Wohnung und ein Auto. Doch die fette Ente Westdeutschland gibt es nicht mehr. Wir werden relativ immer ärmer und sollten daher mit Versprechen vorsichtig sein. Im letzten Jahrhundert ist unser Staat drei Mal zusammengebrochen und viele haben alles verloren. Es muss nicht so kommen, aber Sicherheit gibt es nicht.

 

Frage: Misstrauen, Unkenntnis und drohende Altersarmut sind eine unheilvolle Mischung. Wie können die Bürger zu einer angemessenen Vorsorge animiert werden?

 

Wey: Es muss den Menschen klar gemacht werden, was Altersarmut bedeutet und dabei an das Verantwortungsgefühl appellieren. Denn letztlich liege ich meinen Kindern auf der Tasche, wenn das Einkommen nicht reicht. Auch der Statusverlust muss klar gemacht werden. Man fällt ohne ausreichende Vorsorge gleich drei Etagen tiefer.

 

Außerdem muss der Staat standardisierte Produkte durchsetzen. Dies funktioniert bei anderen Produkten ganz gut. Über Windows meckert auch jeder und nutzt es trotzdem. Bei den Lebensmitteln wurden die Verpackungsgrößen jetzt abgeschafft. Was für ein Unsinn. Niemand kann mehr die Angebote leicht vergleichen. Eine Expertenkommission sollte wenige Finanzprodukte zertifizieren, die leicht verständlich und einfach gestrickt sind. Das würde auch den Wettbewerb zwischen den Banken verstärken, weil die Angebote vergleichbar sind, und es würde neues Vertrauen entstehen. Das ist der einzige gangbare Weg.

 

Frage: Was können Anleger aus der Finanzkrise lernen?

 

Wey: Die wichtigste Lehre ist, dass es ein Ausfallrisiko gibt, eine Bank Pleite gehen kann. Das hat man bisher nicht wahrgenommen. Diese Erfahrung führt aber wiederum zu einer gegensätzlichen Überreaktion, weil die Unsicherheit übertrieben wird. Der Staat sichert die Risiken daher ab. Das sollte auch jeder einzelne tun, in dem er seine Anlagen auf verschiedene Positionen verteilt.

 

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