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Wer viel sitzt, stirbt früher

Die Deutschen bewegen sich immer weniger

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Von Wolfgang Mulke

08. Aug. 2016 –

Am Schreibtisch, bei Besprechungen, im Cafè oder vor dem Fernseher wird normalerweise gesessen. Bis zu elf Stunden am Tag verbringen vor allem Arbeitnehmer mit höheren Bildungsabschlüssen im Sitzen. Das ist ein Ergebnis des Gesundheitsreports der Deutschen Krankenversicherung (DKV), der in Berlin vorgestellt wurde. Die vermehrte Arbeit am Computer, aber auch höhere Anforderungen an die Beschäftigten lassen ihnen weniger Zeit, zwischendurch mal aufzustehen.

 

Gesundheitlich ist dies bedenklich. „Wer länger sitzt, hat ein höheres Risiko früher zu sterben“, warnt Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln, der die Studie erstellt hat. Nicht das Sitzen selbst ist das Risiko, sondern der Mangel an Bewegung. Die begünstigt zum Beispiel Herz-Kreislauf-Krankheiten. Froböse zufolge sterben in Europa jährlich 1,6 Millionen Menschen an diesem ungesunden Lebensstil. Zum Vergleich: Die Zahl der Nikotinopfer liegt mit 57.000 deutlich darunter.

 

Das Problem haben nicht nur Schreibtischarbeiter. Weniger Qualifizierte, die oft während der Arbeit eher stehen oder Hand anlegen, verbringen ihre Freizeit verstärkt sitzend. Jeder vierte der 2.800 Befragten schaut mehr als drei Stunden täglich fern. So kommen die Bundesbürger insgesamt auf eine durchschnittliche Sitzzeit von sieben Stunden. Es liegt in der Natur des Menschen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Doch in der modernen Welt müsse man dies tun, erläutert Froböse. Ein kleiner Vergleich zeigt die Wirkung minimaler Veränderungen. Sitzend verbrennt der Mensch ein Gramm Fett in der Stunde. Im Stehen sind es bereits drei Gramm.

 

Ein Fazit des alle zwei Jahre erhobenen Reports ist ein zunehmender Bewegungsmangel. Nur noch 45 Prozent der Deutschen sind ausreichend aktiv. 2010 waren es noch 60 Prozent. Jeder dritte betreibt überhaupt keinen Sport. Dabei gibt es keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Dabei rät die Weltgesundheitsorganisation zu 150 Minuten moderaten Sports oder 75 Minuten intensiven Verausgabens in der Woche. „Es macht uns Sorge, dass die körperliche Bewegung rückläufig ist“, sagt Froböse.

 

Die Experten raten zu einem bewussteren Verhalten am Arbeitsplatz. „Die Arbeitgeber sind hier gefragt zu sensibilisieren“, sagt Froböse. Sie sollten einen aktiveren Alltag vorleben und die Arbeitsstellen entsprechend gestalten. „Eine Besprechung ist eine Sitzung“, kritisert der Vorstandschef der DKV, Clemens Muth. Dabei könnten Absprachen auch stehend oder während eines Spaziergangs getroffen werden.

 

Regelmäßig erfragt die Sporthochschule noch weitere Aspekte des Gesundheitsverhaltens der Bundesbürger: die Ernährung, das Rauchen, der Alkoholkonsum und der Umgang mit Stresssituationen. Als Maßstab für einen guten Lebensstil gelten die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Rundum gesund leben nur wenige.

 

Gerade einmal neun Prozent der Befragten halten sich an alle Empfehlungen der Fachleute. Nur jede zweite ernährt sich entsprechend den Richtlinien, wobei mit zunehmenden Alter bewusster gegessen und getrunken wird. Beim Rauchen gibt es im Vergleich zur letzten Studie 2012 weitere Fortschritte. Nun verzichten 78 Prozent der Befragten auf Nikotin, zuletzt waren es 75 Prozent. Einen mäßigen Umgang mit Alkohol schreiben sich 85 Prozent der Bürger zu. 58 Prozent geben an, dass sie keinen Stress empfinden oder Strategien zum Umgang damit entwickelt haben.

 

Überraschend sind die Ergebnisse im Vergleich der Bundesländer. Spitzenreiter im Gesamtranking ist Mecklenburg-Vorpommern. Im Küstenland schaffen es 14 Prozent, alle Ratschläge der Experten zu befolgen. Bei den Schlusslichtern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen trifft dies nur auf neun Prozent der Bevölkerung zu. Auffallend ist auch, dass die wohlhabenden Bundesländer im Süden Deutschlands beim Ernährungsverhalten hinten liegen. Dagegen verhalten sich die Konsumenten im Norden und Osten eher bewusst, wenn es um Lebensmitteln geht.

 

In einer zweiten Sonderauswertung befassten sich die Forscher mit Fitnessarmbändern. Sie wollten wissen, wie die so genannten Wearables von deen Konsumenten angenommen werden. Das Ergebnis ist für die Hersteller kein Kompliment. „Die Menschen sehen mehrheitlich keinen Nutzen im Gebrauch der heutigen Waerables“, stellt Muth fest. Fast jedes zweites Armband landet schnell in einer Ablage und wird nicht mehr genutzt. Dabei besitzen sechs Prozent der Bevölkerung ein Gerät, mit dem zum Beispiel die Schrittzahl oder der Kalorienverbrauch gemessen werden können.

 

Meist war es den Nutzern zu anstrengend, das Armband zu tragen oder es nervte einfach. Auch die erhoffte Motivation für Aktivitäten blieb oft aus. Daher hält Muth die Anschaffung für überflüssig, sofern nicht ein Arzt die Überwachung einzelner Körperfunktionen empfiehlt. Dazu wären aber korrekte Messungen durch die Geräte Voraussetzung. Daran hapert es nach Angaben Froböses noch. Abweichungen von 30 Prozent seien möglich. Für die Krankenversicherten verbindet Muth damit eine positive Nachricht. „Eine Basis für Versicherungstarife sind Wearables derzeit nicht“, stellt der DKV-Chef klar.

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