• Metall-Recycling in Accra, Ghana

„Wertschöpfung und Wertschätzung“

Das geplante Lieferkettengesetz überfordere hiesige Unternehmen nicht, sagt CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Allerdings plädiert er für eine europäische Lösung.

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Von Hannes Koch

11. Feb. 2021 –

Hannes Koch: Viele Bürgerinnen und Bürger, auch in Ihrem baden-württembergischen Wahlkreis, verlangen, dass hiesige Unternehmen ihre ausländischen Beschäftigten besser behandeln. Ein gerechtfertigtes Anliegen?

Roderich Kiesewetter: Grundsätzlich schon. Allerdings fällt es großen Unternehmen deutlich leichter, den Aufwand und die Kosten zu bewältigen. Denn die Firmen müssen ja kontrollieren, wie ihre Lieferanten in aller Welt mit ihren Arbeitskräften umgehen. Kleine und mittlere Betriebe können das oft nicht leisten. Andererseits sollten sich die Verbraucher bewusst sein, dass bessere Arbeitsbedingungen in den Lieferketten höhere Preise in den Geschäften nach sich ziehen.

Koch: Sie sind Außenpolitiker. Warum sollten sich deutsche Firmen um die sozialen und ökologischen Arbeitsbedingungen in Asien und Afrika kümmern?

Kiesewetter: Die afrikanische Bevölkerung wird sich in den kommenden 35 Jahren verdoppeln. Das bietet riesige Entwicklungschancen – auch für deutsche Unternehmen. Mit Wertschöpfung muss jedoch auch Wertschätzung für die Menschen und ihre Leistungen einhergehen. Diese drückt sich nicht zuletzt in gerechten Preisen und angemessenen Löhnen aus.

Koch: Die Regierungskoalition aus SPD und Union kann sich seit Jahren nicht auf das Lieferkettengesetz einigen. Dieses soll hiesige Unternehmen verpflichten, die Menschenrechte der Beschäftigten in ihren ausländischen Zulieferfabriken zu schützen. Sie unterstützen dabei Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), von dem der Entwurf stammt. Warum?

Kiesewetter: Weil ich durch meine außenpolitische Arbeit gelernt habe, dass gemeinsames Handeln nur auf Augenhöhe funktioniert. Wir arbeiten deshalb am Marshall-Plan „mit Afrika“, nicht „für Afrika“. Im Wettbewerb der Systeme können wir Europäer demonstrieren, dass unser Modell attraktiver ist als das chinesische. Deshalb sollten wir zu einer neuen Art der Diplomatie kommen, die Entwicklungs-, Wirtschafts- und Außenpolitik verbindet.

Koch: Gegen Müller versucht Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), den Gesetzentwurf zu verzögern und zu entschärfen. Wären deutsche Firmen überfordert, wenn sie ihre Vorlieferanten verpflichten müssten, vernünftige Löhne zu zahlen und für Arbeitssicherheit zu sorgen?

Kiesewetter: Entwicklungsminister Müller will erst Unternehmen mit 500 Beschäftigten und mehr in das Gesetz einbeziehen. Ich halte das für eine gute Lösung, weil die kleineren dann nicht betroffen wären. Ob es wirklich nötig ist, die Grenze bis auf 5.000 Beschäftigte anzuheben, wie Altmaier es wünscht, muss man klären. In einem Punkt freilich schließe ich mich dem Wirtschaftsminister an: Wir sollten möglichst keinen deutschen Alleingang versuchen, sondern ein europäisches Lieferkettengesetz anpeilen. Die Chancen dafür stehen gut.

Koch: Im Gegensatz zu Altmaier plädiert Müller außerdem dafür, ausländischen Arbeitskräften den Gang vor deutsche Gerichte zu erleichtern. Gut oder schlecht?

Kiesewetter: Die zivilrechtliche Haftung in Müllers Entwurf erscheint begrenzt. Klagen sind beispielsweise nur möglich, wenn die Menschenrechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum beeinträchtigt wurden. Das halte ich für akzeptabel, es bedeutet keine Überforderung der Wirtschaft.

Koch: Wird das Lieferkettengesetz in den kommenden Monaten noch fertig, oder müssen Sie nach der Bundestagswahl zusammen mit den Grünen einen neuen Anlauf unternehmen?

Kiesewetter: Wir sollten das Thema vor der Bundestagswahl im September abräumen. Danach gibt es genug zu tun. Dann muss es darum gehen, die Folgen der Corona-Krise zu verarbeiten, die Wirtschaft anzukurbeln, Infrastruktur und Digitalisierung voranzubringen.

 

Bio-Kasten

Roderich Kiesewetter ist einer der führenden Außenpolitiker der Union im Bundestag, er sitzt im Auswärtigen Ausschuss und leitet das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste. Bis 2009 stieg er zum Oberst der Bundeswehr auf. Seitdem vertritt er den Wahlkreis Aalen-Heidenheim als direkt gewählter Abgeordneter.

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