Wette auf die Zukunft

Chipentwickler Nvidia profitiert von Künstlicher Intelligenz

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Von Björn Hartmann

03. Jun. 2023 –

Sie wollen es anders machen, besser. Und ja, sie wollen viel Geld verdienen. Dass das Unternehmen, über das die drei Männer im April 1993 bei reichlich Kaffee in einem Kettenrestaurant in San Jose, Kalifornien, nachdenken, einmal die Computerwelt revolutionieren würde, wäre ihnen vermutlich nicht eingefallen. Obwohl: Visionär sind sie schon damals. Und Glück haben die Gründer von Nvidia auch.

Kurz nach Pfingsten 2023 hat der Wert des Chipentwicklers an der US-Technologiebörse die Marke von einer Billion Dollar (930 Milliarden Euro) geknackt, ist aufgestiegen zu den wenigen ganz Großen: Google-Mutter Alphabet, Amazon, Apple, Microsoft und dem Ölkonzern Saudi Aramco. Ohne die Produkte Nvidias wären die Fortschritte bei künstlicher Intelligenz (KI) nicht möglich, das revolutionäre ChatGPT zum Beispiel. Das Programm dahinter wird mit einem Rechner mit tausenden Chips von Nvidia trainiert. Anders lassen sich die riesigen Datenmengen kaum verarbeiten. Und Nvidia-Mitgründer und Chef Jensen Huang sieht KI erst am Anfang. Viel Geschäftspotenzial also.

Vor etwas mehr als 30 Jahren ist KI nur etwas für ein paar Nerds. Und auch Huang, damals beim US-Chiphersteller LSI Logic, hat wenig damit zu tun. Gemeinsam mit Curtis Priem und Chris Malachowsky, beide beim US-IT-Konzern Sun Microsystems, will er eine neue Art von Computerchips entwickeln, die vor allem die Grafik von Videospiele verbessern soll, damals eine langsame und sehr pixelige Angelegenheit. Zum einen sind die Anwendungen anspruchsvoll, das reizt die drei, zum anderen erwarten sie einen Boom bei Computerspielen – und deshalb hohe Absatzzahlen für ihre Chips.

Sie beginnen mit 40.000 Dollar, sammeln Geld von Risikokapitalgebern ein, entwickeln für gut zehn Millionen Dollar den ersten Chip. Er floppt. Das Unternehmen schrammt an der Pleite vorbei und startet neu, diesmal mit klarerer Linie. 1999 geht es an die Börse. Die Grafikkarten des Unternehmens verkaufen sich hervorragend, das Unternehmen überlebt den harten Wettbewerb der 90er und 2000er unter anderem wegen seines technischen Vorsprungs. Und vor allem Huang richtet Nvidia auf eine neue Anwendung aus: KI. Eine gewagte Wette auf die Zukunft. Er soll recht behalten.

Die Grundzüge der KI sind seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannt, lange fehlte es aber an hoher und vor allem günstiger Rechenleistung, die Nvidia mit seinen Chips bietet. Bereits 2006 liefert das Unternehmen den ersten KI-Supercomputer aus. Er besteht aus zahlreichen eigenen Grafikchips, hat etwa die Größe eines Schuhkartons und die Rechenleistung von 250 klassischen Servern. Der Kunde ist damals weitgehend unbekannt: OpenAI, Entwickler von ChatGPT.

Was macht Nvidias Produkte so besonders? Hauptprozessoren, die etwa Computer steuern, sind auf hohe Leistung und Geschwindigkeit getrimmt, arbeiten Aufgaben aber Schritt für Schritt ab. Das reicht für normale Anwendungen. Ein Grafikchip (Graphic Processing Unit, GPU) besteht aus vielen kleinen Recheneinheiten, die parallel arbeiten und so komplexere Aufgaben schneller bewältigen können. Die Nvidia-Gründer gehören zu den ersten, die das erkennen und als Produkt auf den Markt bringen.

Was zunächst vor allem dafür gut ist, am Computer hochgerüstete Gegner ruckelfrei zu besiegen, eignet sich auch für anderes, bei dem große Datenmengen schnell verarbeitet werden müssen. Autonomes Fahren etwa. Nvidia arbeitet zum Beispiel mit Mercedes zusammen. Auch vom Boom der Kryptowährungen hat das Unternehmen profitiert: Um etwa Bitcoin zu schürfen, wie das Berechnen genannt wird, sind Computer mit hoher Leistung nötig. Während der Corona-Pandemie, als viele Menschen zu Hause saßen, rüsteten Cloud-Anbieter ihre Rechenzentren auf – mit Hochleistungschips von Nvidia. Vor allem für diese Kunden plant das Unternehmen jetzt eine Art Superrechner von der Stange. Dabei hat Nvidia keine eigene teure Produktion. Es entwickelt die Chips und lässt sie dann in Auftrag fertigen.

Der Konzern mit seinen gut 26.000 Mitarbeitern wird von Huang geprägt. In Taiwan geboren, wuchs er auf dem Land in Kentucky auf, studierte Chipdesign in Oregon und an der kalifornischen Stanford University und kellnerte auch schon mal in der Systemgastronomie. Huang gilt als nahbar, räumt Schwierigkeiten in einer Abteilung auch schon mal selbst aus dem Weg. „Niemand ist der Chef, das Projekt ist der Chef“, sagte er dem US-Magazin „Fortune“ 2017 über seine Arbeitsweise.

Der 60-Jährige tritt öffentlich immer in Jeans, Lederjacke, Poloshirt auf – alles schwarz, nur die Haare sind inzwischen ergraut. Er ist der letzte der Gründer, Malachowsky ist inzwischen in Rente, Priem 2003 ausgestiegen. Huang hält noch 3,6 Prozent der Nvidia-Aktien, ist Multimilliardär.

Der Firmenname übrigens entstand, weil die Gründer die ersten Papiere immer mit NV für next version (nächste Fassung) kennzeichneten. Als das Unternehmen angemeldet werden sollte, musste ein Name her. Die drei Gründer suchten etwas mit nv und stießen auf invidia, lateinisch für Neid – sehr wahrscheinlich etwas, was sie bei Amazon, Google und Meta (Facebook) fühlen. Die Techkonzerne arbeiten an eigenen superschnellen Grafikchips. Nvidia hat allerdings einen ziemlich großen Vorsprung.

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