Wie viel zu viel sind sechs Prozent?

Beim Bund und den Kommunen stehen Tarifverhandlungen ins Haus. Verdi will einen kräftigen Zuschlag durchsetzen. Die Kommunen versorgen die Flüchtlinge und brauchen gutes Personal.

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Von Wolfgang Mulke

04. Mär. 2016 –

Wolfgang Pieper ist enttäuscht über die kritische öffentliche Reaktion auf die Tarifforderung der Gewerkschaft Verdi für die anstehenden Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst. „Wir müssen bei den Löhnen attraktiv sein“, wirbt der Verhandflungsführer um Verständnis, „sonst kriegen wir keine Fachkräfte.“ Sechs Prozent mehr Lohn sollen deshalb für die Angestellten und Beamten beim Bund und den Kommunen herausspringen. Am 21. März geht es in die erste Runde mit den Arbeitgebern. Ende April soll der Abschluss unter Dach und Fach sein.

 

Mit der Forderung übertrifft Verdi diesmal sogar die sonst gar nicht bescheidenen Metaller, die 4,5 bis fünf Prozent herausholen wollen. Pieper sieht dafür gute Gründe. „Die Lohnentwicklung ist der notwendige Schritt, die Konjunktur zu stabilisieren“, sagt er. Auch soll den derzeit bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge stark belasteten Kommunalbediensteten eine Wertschätzung ihrer Arbeit zuteil werden.

 

Die Tarifrunde betrifft viele Haushalte. Zwei Millionen Beschäftigte zählen die Kommunen bundesweit, die in Krankenhäusern, Verwaltungen, der Feuerwehr, Sozialeinrichtungen, oder Bildungsstätten ihren Dienst leisten. Dazu kommen noch rund 140.000 Bundesangestellte. Die Länder sitzen seit Jahren nicht mehr mit am Verhandlungstisch. Sie haben die Tarifgemeinschaft des öffentlichen Dienstes verlassen. Betroffen sind auch die Beamten, auf deren Entgeltstruktur die Abschlüsse in der Regel übernommen werden. Ebenso orientieren sich einige Sozialverbände bei der Bezahlung ihrer Leute an der Entwicklung im öffentlichen Dienst.

 

Der Ton zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist in diesem Jahr vergleichsweise freundlich. Natürlich weisen die Kommunen das Ansinnen Verdis zurück. „Insgesamt haben die Forderungen ein Volumen von 5,6 Milliarden Euro“, rechnet deren Verhandlungsführer Thomas Böhle vor, „das ist für uns nicht darstellbar.“ Böhle verweist auf die finanziell angespannte Haushaltslage vieler Städte und Gemeinden. Zudem ziehen die Arbeitgeber mit einer eigenen Forderung in die Potsdamer Verhandlungsräume. Sie wollen die betriebliche Altersvorsorge reformieren. Dafür sieht Verdi nur dann eine Notwendigkeit, wenn es in einer der Pensionskassen ein nachweisliches Problem gibt.

 

Auf eine spürbare Anhebung der Einkommen können sich die Angestellten in Bund und Kommunen wohl ziemlich sicher freuen. Eine „angemessene Entwicklung des Entgelts“ gestehen die Arbeitgeber den Bediensteten zu. In den Haushaltsplänen der Städte und Gemeinden sind durchschnittlich Personalkostensteigerungen von bis zu 2,5 Prozent verzeichnet. Schon dieser Wert liegt deutlich über der Teuerungsrate und ist zudem wohl strategischer Natur. Sie wollen keine höhereren Erwartungen wecken. Realistisch ist daher eine größere Steigerung.

 

Umgekehrt wird aber auch die Maximalforderung eine Illusion bleiben. Denn in vielen Kommunen, insbesondere im Ruhrgebiet, dem Saarland oder den ostdeutschen Ländern, ist die finanzielle Lage so schlecht, dass sie allzugroße Zugeständnisse nicht verkraften würden. Das Ergebnis wird also irgendwo in der Mitte liegen. Ob es wieder zu Streiks kommt, ist noch ungewiss. Einen langen Hebel hätten die Gewerkschaften schon in der Hand. Sie könnten in den für die Flüchtlingsversorgung zuständigen Verwaltungen die Arbeit niederlegen. Ausschließen will Pieper das nicht. „Garantieren können wir nie etwas“, sagt der Verdi-Verhandler.

 

 

 

 

 

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