„Wir machen keinen unbefristeten Ausstand“

Im Interview: GDL-Chef Claus Weselsky

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Von Wolfgang Mulke

02. Okt. 2014 –

Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat sich für einen Arbeitskampf entschieden. Bahnkunden müssen sich auf eine lange Auseinandersetzung einstellen. GDL-Chef Claus Weselsky will hart bleiben. Der 55-jährige Sachse ist seit 2008 Chef der ältesten Gewerkschaft Deutschlands.

 

Frage: Herr Weselsky, die GDL-Mitglieder sind mit einer großen Mehrheit für den Arbeitskampf. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

 

Claus Weselsky: Es zeigt die tiefe Verbundenheit und die Solidarität unserer Mitglieder, wenn 91 Prozent in geheimer Briefwahl mit Ja für stärkere Streikmaßnahmen stimmen. Das beweist auch die hohe Beteiligung. 81 Prozent der über 20.000 angeschriebenen Mitglieder schickten der GDL die Stimmzettel der Urabstimmung zurück. Damit haben wir nicht nur den Auftrag, sondern auch die Verpflichtung für das Zugpersonal der Deutschen Bahn zu verhandeln und für bessere Arbeitszeit- und Einkommensbedingungen die Blockadehaltung der DB aufzubrechen.

 

Frage: Worauf müssen sich die Bahnkunden kurzfristig einstellen?

 

Weselsky: Am verlängerten Wochenende wird es sicherlich keinen Streik geben. Wir prüfen und bewerten das erneute Angebot der DB und werden dazu am Montag schriftlich Stellung nehmen. Danach geben wir Arbeitskampfmaßnahmen wie bisher auch so früh bekannt, dass sich die Reisenden darauf einstellen können.

 

Frage: Sind Sie wie im Jahr 2007 auch zu einem unbefristeten Ausstand bereit?

 

Weselsky: Die GDL macht keinen unbefristeten Ausstand. Wir wollen dem Unternehmen wirtschaftlichen Schaden zufügen und nicht die Republik lahmlegen. Und dies gelingt uns auch auf andere Weise.

 

Frage: Bleibt es bei den mit der Pilotengewerkschaft Cockpit koordinierten Streikaktionen oder droht Deutschland bald die Mobilitätsblockade auf der Schiene und in der Luft?

 

Weselsky: Wir werden uns weiterhin mit Cockpit abstimmen. Piloten und Lokführer werden nicht zeitgleich in den Ausstand treten.

 

Frage: Die Arbeitgeber wollen Sie mit einem weiteren Angebot an den Verhandlungstisch zurückholen. Sie bieten zwei Prozent mehr Lohn für die Lokführer und will die GDL auch dann anerkennen, wenn der Bundestag ein Gesetz zur Tarifeinheit verabschieden sollte. Wie bewerten Sie diese Offerte?

 

Weselsky: Der so genannte offene Brief der Arbeitgeber ist erst am Mittwochabend bei uns eingegangen. Wir müssen das Angebot erst einmal gründlich analysieren. Der Brief steckt voller Unverschämtheiten und Halbwahrheiten. So sei die GDL kein verlässlicher Verhandlungspartner, sie habe die Sache überreizt und stecke in einer Sackgasse. Es bleibt jedoch dabei. Wir lassen uns nicht auf das Motto „teile und herrsche“ ein, in dem wir auf die Vertretung des gesamten Zugpersonals verzichten, um die der Lokführer zu behalten, denn die haben wir schon lange. Wir haben von unseren Mitgliedern den Auftrag, einen Tarifvertrag für alle fünf Berufsgruppen auszuhandeln und das tun wir.

 

Frage: Auf konkurrierende Tarifverträge mit zwei Gewerkschaften für dieselben Berufsgruppen will sich die Bahn keinesfalls einlassen. Gibt es angesichts der festgefahrenen Positionen überhaupt noch einen Lösungsansatz, der vielleicht für beide Seiten praktikabel wäre?

 

Weselsky: Es gibt immer Kompromissmöglichkeiten und inhaltlich kann man sich garantiert einigen, spätestens nach einem Arbeitskampf. Auf ein Diktat der DB zu einer Tarifeinheit werden wir uns aber keinesfalls einlassen. Die GDL bewegt sich auf dem Boden des Gesetzes. Konkurrierende Tarifverträge bestehen bereits heute, sind möglich und erlaubt. Das haben auch die höchsten Gerichte festgestellt.

 

Frage: Sind Sie derzeit auch deshalb so kampfeslustig und auf Expansionskurs, weil die Bundesregierung die Macht der kleinen Gewerkschaften bald beschneiden will?

 

Weselsky: Ich mache mir Sorgen, weil bestimmte Lobbygruppen einfach den Untergang des Abendlandes ohne jegliche Begründung herbeireden können. Unser Tarifkonflikt müsste gar nicht eskalieren, wenn die DB mit ihrer Hausgewerkschaft nicht Front gegen die Realität echter Mitgliederzahlen machen würde.

 

Frage: ...Sie meinen die Konkurrenzgewerkschaft EVG?

 

Weselsky: … wie unter anderem die EVG, aber auch der DGB und die Arbeitgeber, den Gesetzgeber beeinflussen und die Tarifeinheit zu Lasten der Berufsgewerkschaften GDL, Marburger Bund und Cockpit einführen wollen. Dafür gibt es überhaupt keinen sachlichen Grund. Es gab durch kleinere Gewerkschaften weder übermäßige Streiks noch unbotmäßig hohe Tarifabschlüsse. Jetzt jedoch provozieren die DB und die Lufthansa gezielt die beiden Berufsgewerkschaften, um dies anschließend als Begründung für die Tarifeinheit verwenden zu lassen. Sollte die Tarifeinheit per Gesetz diktiert werden, werden wir alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel einlegen um dies zu kippen.

 

 

 

Darum geht es im Tarifstreit

 

Es geht der GDL in diesem Jahr um zwei Forderungen. Bei den Entgelten will die Gewerkschaft fünf Prozent mehr Lohn sowie eine Arbeitszeitverkürzung um zwei Stunden in der Woche durchsetzen. Die Verhandlungen darüber kommen nicht in Gang, weil die GDL zudem ihren Einflussbereich von den Lokführer auf das gesamte Zugpersonal ausdehnen will. Für Berufsgruppen wie die Zugbegleiter oder das Personal in den Bordrestaurants ist bisher allein die größere Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) zuständig, die ihrerseits nun auch ihre Lokführer vertreten will. So könnte es zu zwei verschiedenen Tarifverträgen für einzelne Berufe kommen. Das wiederum lehnt die Bahn kategorisch ab. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

 

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