"Wir wollen keine handzahme Gewerkschaft sein!"
Im Interview
16. Feb. 2011 –
Am kommenden Sonntag kann der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) seinen 52. Geburtstag feiern. Ab Montag hat der Sachse alle Hände voll zu tun. Ab dann sollen Warnstreiks die Arbeitgeber im Schienenverkehr zurück an den Verhandlungstisch zwingen, nachdem die Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag gescheitert sind. Über die Gründe des Arbeitskampfes und die Folgen für die Fahrgäste sprach unser Korrespondent Wolfgang Mulke mit dem GDL-Vorsitzenden.
Frage: Herr Weselsky, ab wann und wo stehen sich die Fahrgäste der Bahn die Füße am Bahnsteig platt, weil Sie wieder streiken?
Claus Weselsky: Wir werden vor dem 21. Februar 2011 nicht streiken, weil wir die Skiweltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen nicht beeinträchtigen wollen. Machen uns die Bahnen ein verhandelbares Angebot, müssten wir überhaupt keinen Arbeitskampf organisieren.
Frage: Müssen die Fahrgäste immer in Sippenhaft für ihre Forderungen genommen werden?
Weselsky: Wir nehmen niemanden in Sippenhaft. Aber wir haben nun einmal nur den Streik als Mittel, mit dem wir unsere Forderungen durchsetzen können. Wir hoffen auch auf Verständnis für die besondere Situation der Lokführer und werden die Auswirkungen des Streiks auf die Bahnkunden möglichst gering halten.
Frage: Die andere Bahngewerkschaft EVG hat einen Tarifvertrag abgeschlossen, der in zweieinhalb Jahren fünf Prozent mehr Lohn bringt. Dem könnten Sie sich anschließen. Wollen Sie immer mehr als der Rest der Beschäftigten?
Weselsky: Zunächst einmal hat die EVG keine fünf Prozent mehr Lohn durchgesetzt, sondern 1,8 Prozent im ersten und 1,9 Prozent im zweiten Jahr. Aber es geht uns nicht darum, auf unserer Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn zu beharren, sondern um einen Flächentarifvertrag für alle Lokführer der Deutschen Bahn (DB) und der privaten Bahnen. Dafür sind wir bei der Entgelterhöhung auch kompromissbereit.
Frage: Wie geht es jetzt weiter?
Weselsky: Neben den Warnstreiks werden wir die Urabstimmung einleiten. Ob es dann zu einem unbefristeten Arbeitskampf kommt, hängt von den Arbeitgebern ab.
Frage: Fällt für Bahnkunden am Ende der Osterausflug ins Wasser?
Weselsky: Bis Ostern ist es noch einige Wochen hin. Aber garantieren kann ich derzeit nichts.
Frage: Zeigen Sie doch einmal ein wenig Kompromissbereitschaft....
Weselsky: Unsere Forderung von fünf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr werden wir sicher nicht aufrecht erhalten. Aber an einem Flächentarif, der ein einheitliches Niveau bei den Löhnen, den Zuschlägen und der Wochenarbeitszeit auf dem Niveau der Deutschen Bahn festschreibt, lassen wir nicht rütteln. Danach wollen wir mit den Privatbahnen in Haustarifverträgen vereinbaren, in welchen Schritten dieses Niveau erreicht wird. Was macht die DB? Sie hat uns eine Stunde Mehrarbeit ohne Lohnausgleich angeboten. Da machen wir nicht mit.
Frage: Kleine Gewerkschaften mit großer Macht setzen immer wieder bessere Arbeitsbedingungen durch als die Massengewerkschaften, die sich auch für Arbeitnehmer ohne eigene Streikmacht einsetzen. Ist das nicht das Ende der Solidarität?
Weselsky: Das ist doch eine Kampagne der Arbeitgeber und des Deutschen Gewerkschaftsbunden (DGB) gegen Berufsgewerkschaften. Warum sollen wir unsere Interessen nicht wirksam vertreten? Wir wollen keine handzahme Gewerkschaft sein wie die Massengewerkschaften im DGB. Wir wollen, dass die Gewinne der Unternehmen für soziale Verbesserungen der Arbeitnehmer eingesetzt werden. Der DGB will uns als lästige Konkurrenz loswerden und die Arbeitgeber wollen den erholsamen Umgang mit Großgewerkschaften erhalten. Wo sind denn die englischen Verhältnisse, die 2007 beim letzten Arbeitskampf immer beschworen wurden? Bei den Streiktagen liegt Deutschland nach wie vor weit hinten.