Wirtschaft hält sich wacker

Bundesbank: keine Hinweise auf Deindustrialisierung

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Von Björn Hartmann

18. Sep. 2023 –

Hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, hohe Abhängigkeit von China: Die öffentliche Debatte zeichnet ein düsteres Bild vom Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu Unrecht, wie die Bundesbank im Monatsbericht für September feststellt. Die Unternehmen kommen danach gut durch die aktuelle Krise, viele haben sich an die gestiegenen Energiepreise angepasst. „Bisher ist die deutsche Wirtschaft in Teilen gut aufgestellt“, schließen die Autoren. Die Regierung muss dennoch etwas tun.

So erkennen die Experten keinen Trend zur breiten Deindustrialisierung. Die Lage sei nicht so dramatisch, wie oft dargestellt. In den vergangenen Monaten fürchteten Wirtschaftsverbände und Politiker, Industriebetriebe könnten aus Deutschland abwandern, weil zum Beispiel die USA derzeit mit hohen Steuererleichterungen locken. Sie sind Teil des Konzepts der Regierung dort, Firmen anzuregen, wieder mehr in den USA herzustellen. Der Anteil der USA an deutschen Direktinvestitionen im Ausland pendelt seit Jahren um 25 Prozent.

Auch die im internationalen Vergleich sehr hohen Energiepreise treiben die Firmen demnach nicht aus Deutschland heraus. Vielmehr haben sich die Unternehmen erstaunlich angepasst. Die Forscher erklären das mit guter Ertragslage und solider Finanzierung der Unternehmen. Knapp 66 Prozent der Industriebetriebe haben die Preise angehoben, 44 Prozent in mehr Energieeffizienz investiert, 59 Prozent den Energieverbrauch verringert, wie die Bundesbank ermittelt hat. Die Produktion kürzten nur rund neun Prozent, sechs Prozent verlagerten die Produktion. Für die Autoren der Studie zeigt das auch, wie gut die Firmen auch auf drastische Veränderungen reagieren.

Der Studie zufolge sind Produkte aus Deutschland im Ausland nach wie vor sehr gefragt. Die Wettbewerbsfähigkeit sei im Mittel günstig. Auch preislich können deutsche Firmen demnach weltweit mithalten. Es gebe gut ausgebildete Arbeitskräfte, solide Infrastruktur, auf Abschlüsse orientierte Tarifparteien, vergleichsweise stabile Rahmenbedingungen. Erstaunlich, weil viele Forschungsinstitute inzwischen damit rechnen, dass Deutschlands Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr schrumpfen wird. Wie die Institute sieht die Bundesbank politischen Handlungsbedarf: bei Energie und dem Abschied von fossilen Brennstoffen, beim Arbeitsmarkt, beim Außenhandel.

Grundsätzlich erklären die Studienautoren noch einmal das Wirtschaftsmodell Deutschlands: Der Standort ist nicht das Ergebnis staatlicher Planung. Der Staat setzt vielmehr den Rahmen, die Unternehmen sind in diesem Rahmen tätig, passen sich an. Der Markt, Nachfrage und Angebot, regelt das Meiste. Entsprechend wenig halten die Bundesbank-Forscher von zu starken staatlichen Eingriffen. „Die Politik könne wegen der Größe der Aufgaben nicht überall feinsteuern“, heißt es aus dem Umfeld der Bundesbank. Aber sie könne den Rahmen so verändern, dass die Wirtschaft einen Schub bekomme. Dazu gehört aus Sicht der Bundesbank eine vorhersehbare und verlässliche Energie- und Klimapolitik. Und zwar schnell. Je später die Politik handele, desto teurer werde es für alle.

Um die Energiekosten im Rahmen zu halten, ist erforderlich, „dass das Angebot an erneuerbaren Energien vergrößert sowie die Energienachfrage gesenkt wird.“ Die Autoren der Studie fordern einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren, mehr Digitalisierung in der Verwaltung. Vor allem letztere bietet große Chancen, schneller und besser zu werden. Überhaupt gilt: Bei der Digitalisierung gibt es den größten Nachholbedarf in Deutschland. Sie kann die größten Wachstumsimpulse liefern.

Dann ist da der demografische Wandel. Weniger junge Menschen, mehr Rentner – Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus. Eine Idee: Bessere Kinderbetreuung, um Vollzeitjobs für Frauen attraktiver zu machen. Eine andere: das Alter, zu dem die Menschen regulär in Rente gehen an die Lebenserwartung anpassen. Leben die Bundesbürger statistisch gesehen länger, müssten sie dann auch länger arbeiten. Die Bundesbank empfiehlt auch, Zugewanderte besser zu unterstützen, damit sie schneller arbeiten können.

Ein großes Problem der deutschen Wirtschaft lässt sich nicht so schnell lösen: Sie ist in hohem Maße von China abhängig. Bei vielen Rochstoffen und Vorprodukten sind deutsche Unternehmen von Zulieferern aus dem Reich der Mitte abhängig. „Eine plötzliche Entflechtung von China wäre wohl zumindest kurzfristig mit weitreichenden Beeinträchtigungen der Lieferketten und der Produktion in Deutschland verbunden“, heißt es in dem Bericht.

Zum Teil regelt der Markt das Problem selbst: Unternehmen suchen sich neue Lieferanten. Denn den Zahlen der Bundesbank zufolge lassen sich gut 20 Prozent der direkt und indirekt aus China bezogenen Produkte leicht ersetzen, bei weiteren 40 Prozent ist es schwierig, aber möglich. Der Staat, in diesem Fall eher die EU, kann zusätzlich helfen, etwa durch Freihandelsabkommen mit Ländern, die über die Rohstoffe verfügen.

Zwei grundsätzlich Hinweise geben die Studienautoren der Bundesregierung auch noch: zum einen vernünftiges Haushalten. „Schließlich behindern solide Staatsfinanzen die wirtschaftliche Entwicklung nicht, sondern sind eine wichtige Voraussetzung dafür.“ Zum anderen warnen sie vor zu viel politischem Aktivismus: „Nicht zielführend wäre, wenn der Staat den Eindruck erweckte, dass er bei jeder gesamtwirtschaftlichen Schwächephase oder bei Problemen im Unternehmenssektor einen breiten wirtschaftlichen Schutzschirm aufspannt“, heißt es in der Studie. Auch ein Plädoyer dafür, dem Markt mehr zu vertrauen.

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