Wirtschaft will mehr ausländische Ingenieure

Handelskammer-Präsident Driftmann beklagt den Mangel an Fachkräften. Trotzdem will Innenminister de Maiziere die Hürden für gut ausgebildete Immigranten nicht senken. Differenzen zwischen CDU und FDP-Minister Brüderle

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Von Hannes Koch

24. Aug. 2010 –

Rund 70.000 Arbeitsplätze für Ingenieure und EDV-Spezialisten können deutsche Unternehmen gegenwärtig nicht besetzen. Sie finden im Inland schlicht keine geeigneten Bewerber. Deshalb plädieren die Industrie- und Handelskammern nun dafür, die komplizierte Einwanderungsprüfung für ausländische Ingenieure abzuschaffen. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere allerdings sperrt sich gegen dieses Ansinnen.


Für einwandernde Fachkräfte, die weniger als 66.000 Euro pro Jahr verdienen würden, führen die Arbeitsagenturen heute die so genannte Vorrang-Prüfung durch. Erst werden für eine freie Stelle mögliche deutsche Bewerber und Kandidaten aus den alten EU-Ländern gesucht – diese haben Vorrang. Nur, wenn sich kein geeigneter einheimischer Arbeitnehmer bewirbt, erhalten die Fachleute aus anderen Staaten eine befristete Arbeitserlaubnis.


Diese Prüfung für einwandernde Spezialisten aber ist den Kammern ein Dorn im Auge. Für Ingenieure und EDV-Spezialisten würde der Deutsche Industrie- und Handelskammertag das Vorrang-Verfahren gerne abschaffen. „Das wäre ein pragmatischer, kurzfristiger Schritt“, sagte Achim Dercks, Vize-Geschäftsführer des DIHK, gegenüber dieser Zeitung. Die Unternehmen könnten dann einfacher und schneller Bewerber aus China, Indien oder Afrika einstellen.


„Das deutsche Recht ist nicht feindlich gegenüber Zuwanderern“, sagte dagegen Innenminister de Maziere (CDU) am Dienstag in Berlin. Er verwies darauf, dass es bereits einzelne Ausnahmen im Vorrang-Verfahren gebe. So könnten beispielsweise Ingenieure aus den osteuropäischen EU-Staaten schon jetzt in Deutschland arbeiten, obwohl die volle Freizügigkeit für Arbeitnehmer erst im Mai 2011 in Kraft tritt.


FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle unterstützt die Forderung des DIHK und positioniert sich damit gegen den Innenminister. Außerdem hat Brüderle ein Punktesystem ausarbeiten lassen, das sich an den Erfahrungen des Einwanderungslandes Kanada orientiert. Gemeinsam mit der Wirtschaft würde der Staat den hiesigen Bedarf an Arbeitskräften ermitteln und einer gewissen Zahl qualifizierter ausländischer Bewerber eine Arbeitserlaubnis geben. Nicht nur de Maiziere hält von einem solchen Paradigmenwechsel aber gar nichts.


Den Unternehmen beginnt die Knappheit an hochqualifizierten Fachkräften unter den Nägeln zu brennen. „Aktuell haben bereits 70 Prozent der Unternehmen Probleme, passende Bewerber für ihre Stellen zu finden“, sagte DIHK-Präsident Heinrich Driftmann am Dienstag. Dies betrifft nicht nur technische Berufe, sondern auch Altenheime, die kaum examinierte Pfleger finden.


Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plädierte für einen „Mix“ von Gegenmaßnahmen. Vor allem müsse man die schulische Bildung verbessern, mehr Jugendlichen eine Ausbildung vermitteln, die Qualifizierung von Arbeitslosen unterstützten und die Älteren länger im Erwerbsleben halten. Die Einwanderung von Fachkräften könne nur ein Mittel unter mehreren sein.


Kasten:

Künftiger Mangel

Bis 2020 geht das deutsche Arbeitskräftepotenzial, die Zahl der Menschen zwischen 20 und 64 Jahren, um 1,6 Millionen Menschen zurück (heute rund 50 Millionen Personen, 2020 rund 48,4 Millionen). Bis 2030 beträgt der Rückgang sogar sechs Millionen. Das sagen Zahlen des Statistischen Bundesamtes und des Arbeitsministeriums. Die Schlussfolgerung: Qualifizierte Arbeitskräfte werden immer knapper. Bevölkerungsforscher wie Reiner Klingholz argumentieren deshalb, dass Deutschland dringend mehr Zuwanderer brauche


Grafik

http://www.bmas.de/portal/47588/property=pdf/2010__08__24__pressekonferenz__dihk__fachkraeftesicherung.pdf, Seite 1

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