Zauberformel für die Zukunft
Rio+20: Gibt es bald verbindliche Öko-Ziele?
19. Jun. 2012 –
Wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher, wird die Welt für viele Erdenbürger auch künftig ein trister, dreckiger, armseliger Ort sein. Diese Erkenntnis lässt tausende Politiker, Bürgerinitiativen und Firmenlobbyisten ab Mittwoch in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro zusammenkommen. Sie wollen versuchen, die 193 Staaten der Vereinten Nationen endlich nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf den Weg einer „nachhaltigen Entwicklung“ zu bringen.
Das wäre durchaus ratsam – genau 20 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio 1992. Damals formte sich zum ersten Mal eine Art Weltgemeinschaft zur Rettung des Planeten. Der Umweltschutz-Gedanke wurde offiziell zum Primat der internationalen Politik. Als Ergebnis von Rio 1992 beschlossen die Regierungen das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz und die Konvention zum Artenschutz für Pflanzen und Tiere.
Das waren gute Ansätze, die sich bis heute jedoch nicht als durchschlagend erwiesen haben. Denn trotz aller Versprechungen und Bemühungen nimmt beispielsweise der weltweite Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids zu. Mit erschreckender Regelmäßigkeit berichten Wissenschaftler, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Und die mit Wäldern bedeckte Fläche geht weiter zurück. Die Quintessenz lautet: Die Menschen überfordern die Natur immer noch – was auch kein Wunder ist, denn die Zahl der Erdenbürger steigt jedes Jahrzehnt um rund eine Milliarde.
Was also tun? Bundesumweltminister Peter Altmaier ist schon nach Rio geflogen, um sich dort unter anderem für verbindliche Umweltvereinbarungen einzusetzen. Diese global gültigen Nachhaltigkeitsziele (SDGs – sustainable development goals) könnten so ähnlich funktionieren, wie die Millenniumziele der Vereinten Nationen, die beispielsweise die Halbierung der schärfsten weltweiten Armut bis 2015 vorsehen.
Weil dieser Prozess erfolgreich zu sein scheint, peilen Altmaier und seine Mitarbeiter vergleichbare Zielmarken für den Umweltbereich an – etwa einen Anteil der modernen erneuerbaren Energien von 30 Prozent an der Weltenergieversorgung bis 2030. Heute tragen so genannte regenerative Energien erst 15 Prozent bei, worunter allerdings oft das altertümliche und umweltschädliche Roden und Verbrennen von Holz zu verstehen ist.
Ob die Rio+20-Konferenz einen Katalog verbindlicher Umweltziele auf den Weg bringen kann, steht in den Sternen. Die blockierten Verhandlungen über ein neues Abkommen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes lassen eher wenig Hoffnung aufkeimen.
Zudem wird die Konferenz darüber debattieren, ob und wie man das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) stärken kann, das der deutsche Politiker Achim Steiner am Sitz in Nairobi/Kenya als Nachfolger von Klaus Töpfer leitet. Umweltminister Altmaier möchte, dass sich das UNEP in Richtung einer eigenständigen UN-Organisation entwickelt und damit auch finanziell durchsetzungsfähiger wird.
Von solchen messbaren Fortschritten abgesehen, wird es an der Copacabana auf keinen Fall an Appellen mangeln. Das wichtigste Stichwort lautet „grüne Wirtschaft“. In diesem Begriff kommen unterschiedlichste Konzepte zu einem scheinbar harmonischen Ganzen zusammen. Viele Regierungen und große Unternehmen wollen, dass die Weltwirtschaft weiter wächst – auch um mehr Wohlstand für die zunehmende Bevölkerung zu produzieren. Gleichzeitig aber sollen die Umweltauswirkungen abnehmen. „Entkopplung“ heißt die Zauberformel. Ob das jemals funktioniert? Man weiß es nicht.
So hat Umweltminister Altmaier vor seinem Abflug auch „Erwartungsmanagement“ betrieben. „Meine Erwartungen sind geerdet“, sagte er, die „Verhandlungen verlaufen zäh.“ So äußern sich Politiker, wenn sie befürchten, dass am Ende nicht viel herauskommt.