Zehn gordische Knoten auf einmal
Umweltminister Altmaier redet mit jedem. Die Fülle der Aufgaben droht ihn zu überfordern
01. Okt. 2012 –
Wenn Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) einen Raum betritt, ist er sofort mit allen Anwesenden im Gespräch. Er ruft einen Scherz in die Runde und schon ist ein munteres Geplauder im Gange. Altmaier hat die Fähigkeit, eine Atmosphäre zu schaffen, die Kommunikation ermöglicht.
Dieses Vermögen will er als Umweltminister zu nutzen, um Sackgassen zu durchbrechen. Weil er an vielen Baustellen arbeitet, schafft er aber auch hohe Erwartungen und läuft Gefahr, diese zu enttäuschen. Altmaier versucht, zehn gordische Knoten zu zerschlagen, wobei schon zwei oder drei seine ganz Kraft erforderten.
Mitte August stellte Altmaier sein Zehn-Punkte-Programm für die Zeit bis zur Bundestagswahl 2013 vor. Damit füllt er einerseits die Rolle aus, die ihm die Kanzlerin nach dem Rauswurf seines Vorgängers Norbert Röttgen zudachte. Altmaier soll vor allem die Energiewende organisieren und verhindern, dass dieses Thema Angela Merkel im Wahlkampf schadet.
Andererseits sind die Aufgaben, die sich der Umweltminister für die kommenden Monate vornimmt, so vielfältig, dass er sie kaum schaffen kann. So wollte er eigentlich bis Ende vergangener Woche einen Vorschlag unterbreiten, wie es mit der Reform der Förderung für die erneuerbaren Energie weitergehen soll. Jetzt hat Altmaier sich auf den 11. Oktober vertagt.
Dafür gibt es Gründe. Das Thema ist kompliziert. Altmaier muss mit Dutzenden Organisationen und Lobbygruppen reden. Genau das ist sein Anspruch: „Mein persönlicher Arbeitsstil ist dialog- und konsensorientiert“. Leute, die mit ihm zusammenarbeiten, kennen aber auch die Kehrseiten dieser Herangehensweise. „Er nimmt es mit den Terminen nicht so genau.“ Dadurch droht der Eindruck zu entstehen: Altmaier redet viel, macht aber wenig.
Das kostet ihn Glaubwürdigkeit. Am augenfälligsten ist dieses Problem bei der Verfahrenssuche für das Atomendlager. Mehrmals bereits hat Altmaier ein Spitzentreffen mit den Ministerpräsidenten und Bundestagsfraktionen angekündigt. Warum es dazu aber nicht kommt, fragen sich die Landesregierungen von Niedersachsen, Baden-Württemberg und viele andere Beteiligte. Denn der Konsens – eine neue bundesweite Suche nach einem geeigneten unterirdischen Lager für hochradioaktiven Atommüll – ist schon zu 95 Prozent ausgehandelt.
Des Rätsels Lösung: Altmaier hat sich an einem heiklen Punkt verheddert, der eigentlich nur ein Nebenschauplatz ist. Mit dem Bundesamt für Strahlenschutz streitet der Minister darüber, welche Aufgaben das neue Bundesinstitut für Endlagerung übernehmen soll, das er gerne gründen möchte. Diese interne Auseinandersetzung stellt Altmaiers Konsensfähigkeit auf eine harte Probe.
Doch der Minister merkt, dass etwas passieren muss. Wie diese Zeitung aus Regierungskreisen erfahren hat, soll das Endlager-Treffen mit den Ministerpräsidenten nun „vor dem 15. Oktober“ stattfinden. „Wir legen einen Zwischenspurt ein“, sagte Altmaier am Montag, als er Unterstützung für mittelständische Betriebe in Sachen Energieeinsparung ankündigte.
Kasten
Altmaiers Baustellen
Ökostrom-Förderung
Welche Förderung sollen die erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren erhalten?, lautet eine der wichtigsten Fragen der Energiewende. Umweltminister Peter Altmaier will am 11. Oktober einen „Verfahrensvorschlag“ machen, um die Debatte aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Eine eigene Position zur Förderung wird er nicht formulieren.
Netzausbau
Noch in diesem Jahr will die Regierung einen Plan für die neuen Stromtrassen als Gesetz durch den Bundestag bringen. Um für eine größere Akzeptanz zu sorgen, hat Altmaier vorgeschlagen, dass die Bürger sich mit eigenem Geld an den neuen Leitungen beteiligen und auch Rendite verdienen können.
Kraftwerke
Die Planungen der Bundesländer für neue Ökokraftwerke sind bislang nicht aufeinander abgestimmt. Das Umweltministerium will versuchen, eine koordinierende Funktion zu übernehmen.
Atomendlager
Eine neue Suche soll ermitteln, ob Gorleben der beste Standort ist oder der Atommüll woanders besser untergebracht werden könnte. Altmaier will versuchen, dazu möglichst bald ein Gesetz verabschieden zu lassen.
Weitere Punkte
Außerdem möchte Altmaier den Natur- und Gewässerschutz voranbringen. In dieser Legislaturperiode soll auch noch ein Gesetz für die neue Wertstofftonne beschlossen werden.