Zeitgeist-Produkt mit sozialen Defiziten
Apple präsentiert das iPhone 5. Die Arbeitsbedingungen in China sind gesetzeswidrig
12. Sep. 2012 –
Nach der Präsentation seines neuen iPhones 5 am Mittwoch Abend kann sich Apple wohl auf einen neuen Verkaufsboom freuen. Die Bank JP Morgan nimmt an, dass alleine bis Jahresende acht Millionen Exemplare verkauft werden. Die Attraktivität der kleinen, schicken Taschencomputer ist noch immer so groß, dass die fragwürdigen Arbeitsbedingungen, unter denen die Apple-Produkte in China hergestellt werden, kaum eine Rolle in der Öffentlichkeit spielen.
Das iPhone ist ein schizophrenes Produkt. Einerseits setzt es technologische und kulturelle Standards.Wie kaum ein anderer Markenartikel vermittelt es den Käufern das Gefühl, auf angenehme Weise an den Möglichkeiten der globalen Kommunikation teilzuhaben. Andererseits stehen Apple-Produkte wie iPhone, iPad und MacBook für die schlechten Seiten der Globalisierung.
Nach Recherchen dieser Zeitung mussten die Beschäftigten in den chinesischen Zulieferfabriken von Apple im vergangenen Jahr beispielsweise bis zu 80 Überstunden pro Monat leisten. Gestattet waren laut chinesischem Arbeitsgesetz jedoch nur 36 zusätzliche Arbeitsstunden. Eine normale Arbeitswoche sah für viele Arbeiter so aus: An sechs Tagen einschließlich des Samstags verbrachten sie bis zu zwölf Stunden in den Fabriken. Das sind Zustände, die in Europa oder den USA schon lange der Vergangenheit angehören. Vermutlich wären nur wenige der Käufer des neuen iPhones bereit, selbst solche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.
Auf der Rückseite jedes iPhones ist zu lesen: „Entworfen von Apple in Kalifornien. Produziert in China.“ Das bedeutet: Apple stellt fast nichts selbst her. Die Produktion findet im Ausland statt – zu großen Teilen in den gigantischen Werken des Foxconn-Konzerns in China, für den über eine Million Menschen arbeiten. Dass die schlechten Arbeitsbedingungen dort langsam, aber sicher das positive Image der Apple-Produkte bedrohen, hat die US-Firma im vergangenen Jahr erkannt.
Deshalb ließ Apple die Foxconn-Werke durch die Fair Labor Association (FLA) kontrollieren, die für erträgliche Zustände in der globalen Produktionskette sorgen soll. Das Ergebnis der Überprüfung: Die Kontrolleure bestätigten viele der Vorwürfe, die unter anderem die Hongkonger Kritiker-Organisation Sacom gegen Apple und Foxconn erhebt.
Mitte August erklärten die FLA-Prüfer, dass Foxconn die wöchentliche Arbeitszeit seiner Beschäftigten auf mittlerweile 60 Stunden pro Woche gedrückt habe. Das ist immer noch mehr, als das chinesische Arbeitsgesetz erlaubt. Dieses wollen die Konzerne nun bis spätestens Juli 2013 einhalten. Gelingt ihnen das, würde auch bei Foxconn der Achtstundentag gelten, allerdings an sechs Tagen pro Woche.
Diese Verbesserungen sind für den Zulieferer nicht einfach. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter müssen neu eingestellt werden, um die Aufträge von Apple und anderen Konzernen weiterhin schnell und flexibel abarbeiten zu können. Außerdem wird Foxconn gezwungen sein, den Lohn zu erhöhen. Bislang kamen viele der meist jungen Arbeiterinnen nur deshalb über die Runden, weil sie zahlreiche Überstunden leisteten.
Der Lohn einer normalen Foxconn-Arbeiterin im Werk Chengdu in Zentralchina betrug 2011 etwa 2.000 Renmimibi (210 Euro) für rund 240 Arbeitsstunden monatlich. Das machte rund 90 Euro-Cent pro Stunde – eine Summe, die deutlich über dem staatlichen Mindestlohn lag, den Arbeitern aber trotzdem nur ein relativ bescheidenes Leben ermöglichte und für die Gründung einer eigenen Familie kaum ausreichte.
Der Löhne in China sind auch deshalb so niedrig, weil Apple seine Zulieferer unter Druck setzt. Im vergangenen Jahr betrugen die Arbeitskosten eines iPhones im Verhältnis zu dessen Verkaufspreis größenordnungsmäßig drei Prozent. Von 500 Euro, die Kunden in Europa oder den USA zahlten, kamen etwa 15 Euro bei den Arbeiterinnen an. Dies ist einer von mehreren Faktoren, die die fantastischen Gewinnmargen des Apple-Konzerns erklären.
Ob das Unternehmen aus Cupertino südlich von San Francisco seine vergangenen Erfolge mit dem neuen iPhone fortsetzen kann, muss sich zeigen. Eine Variante bestünde darin, geringere Gewinne zu akzeptieren. Der Konzern könnte aber auch versuchen, die wachsenden Produktionskosten mittels höherer Preise an die Endkunden weiterzugeben.
Wird das funktionieren? Dafür spricht, dass selbst in China die Apple Stores ständig überfüllt sind. Zwar kommen die neuen Geräte dort etwas später heraus als in den USA. Wenn es aber so weit ist, reißen die Kunden sie den Verkäufern vermutlich aus den Händen. Gegen künftige Megaerfolge von Apple spricht jedoch, dass die Smartphones von Konkurrenten wie Samsung und Nokia mittlerweile wieder auf Augenhöhe sind.