Zoom statt Lufthansa

Reisende steigen eher in Zug oder Auto als in ein Flugzeug

Teilen!

Von Björn Hartmann

09. Aug. 2023 –

Wer mit dem Flugzeug reist, hat zuletzt deutlich mehr für die Tickets bezahlt. Und die Preise werden eher weiter steigen, wie die Luftverkehrsbranche erwartet. Allerdings nicht so stark wie zuletzt. Die Zeiten, als Flüge nach Mallorca schon mal unter 20 Euro kosteten oder der Tagesausflug nach Amsterdam für unter 100 Euro zu haben war, sind vorbei. „Wir werden weiter bei hohen Ticketpreisen bleiben“, sagt Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BDL.

Die höheren Preise spiegelten klar die höheren Kosten wider, sagt der BDL-Chef. Treibstoff hat sich verteuert, die Löhne sind im Zuge der verschiedenen Tarifrunden deutlich gestiegen. Neue Flugzeuge kosten mehr. Die Gebühren für Sicherheitskontrollen und Flugsicherung hat der Staat angehoben. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 kosteten Flüge ins europäische Ausland im ersten Halbjahr 2023 rund 32 Prozent mehr, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Nach Asien stiegen die Ticketpreise sogar um 42,5 Prozent. Auf innerdeutschen Strecken betrug das Plus nur 3,9 Prozent, allerdings hatten sich die Preise bereits kurz nach der Pandemie deutlich erhöht.

Nicht nur die Kosten lassen die Preise steigen, die Fluggesellschaften können offenbar auch einfach mehr verlangen. Gerade hat die Lufthansa sehr gute Quartalszahlen vorgelegt und für das Gesamtjahr einen historischen Gewinn angekündigt – unter anderem wegen höherer Preise. Durchsetzen lassen sich die, weil auf manchen Strecken die Flugkonkurrenz fehlt. So hat Billigflieger Easyjet sein innerdeutsches Angebot zusammengestrichen, was zum Beispiel der Lufthansa-Tochter Eurowings höhere Preise erlaubt.

Viele Ziele sind mit dem Flugzeug auch nicht mehr so gut erreichbar wie noch 2019 vor der Corona-Pandemie, vor allem im Inland. Im ersten Halbjahr 2023 ließen sich den Zahlen des BDL zufolge mit 47 Prozent nicht einmal halb so viele Sitzplätze buchen, wie in der ersten Hälfte 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie und deshalb für die Branche ein wichtiges Vergleichsjahr. Von Randow erwartet auch nicht, dass das Inlandsgeschäft wieder nennenswert zulegt. „Wir haben hier erheblichen Wettbewerb“, sagt er. So seien viele Kunden auf den Zug umgestiegen oder auf das Auto. Gerade Geschäftsleute, die gern geflogen sind, reisen heute nicht mehr so viel. Die Unternehmen setzten zunehmend auf digitale Kommunikation. Zoom statt Lufthansa oder Easyjet. Und Privatkunden fliegen eher nicht von München nach Düsseldorf oder Berlin nach Frankfurt. Der Zug ist meist günstiger.

In anderen EU-Staaten gibt es deutlich mehr Inlandsflüge. In Griechenland liegt das Angebot bereits bei 111 Prozent der Vor-Corona-Zeit. Das Land mag mit seinen vielen Inseln ein Sonderfall sein, aber auch in Spanien und Italien haben die Reisenden heute mehr Auswahl als noch 2019. BDL-Chef von Randow sagt, viele Länder seien schlicht nicht so weit, Deutschland arbeite seit langem daran, Alternativen zu Flügen auf der Schiene zu ermöglichen.

Und so reisten rund 80 Prozent der 87,7 Millionen Passagiere, die im ersten Halbjahr von einem deutschen Flughafen starteten oder dort landeten, ins europäische Ausland oder nach Übersee. Die Flughäfen verzeichneten 28 Prozent mehr Fluggäste als ein Jahr zuvor. Vor allem Frankfurt und München konnten zulegen. Große Fluggesellschaften wie die Lufthansa nutzen sie für Langstreckenflüge, zu denen es zahlreiche Zubringerflüge gibt. Frankfurt hat bereits 80 Prozent der Passagierzahlen von Mitte 2019 erreicht, München 73 Prozent. Am drittgrößten Flughafen Deutschlands in Berlin sind es 60 Prozent, in Düsseldorf 70, Hamburg 73. Deutlich besser stehen die kleineren Flughäfen Memmingen im Allgäu mit 149 Prozent und Karlsruhe/Baden-Baden mit 131 Prozent da. Hier nutzen vor allem Billigflieger die im Vergleich zu großen Flughäfen niedrigeren Gebühren. Allerdings flogen auch nur 800.000 Reisende an diesen Standorten. Insgesamt haben die Flughäfen wieder 75 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht. Von Randow rechnet für die nächste Zeit mit 80 bis 85 Prozent.

Wie bei der Deutschen Bahn hapert es auch bei den Fluggesellschaften mit der Pünktlichkeit . Im ersten Halbjahr waren nach Angaben von Randows knapp über 60 Prozent aller Flüge pünktlich, fast ein Fünftel mehr als noch vor einem Jahr. Als pünktlich gilt ein Flugzeug, wenn es jene 15 Minuten Slot einhält, für die es am Flughafen für Start oder Landung eingeplant ist. Unwetter bereiten dem Flugverkehr Probleme. Von Randow nennt aber auch die fehlende Automatisierung im europäischen Luftraum. Außerdem hakt es offenbar bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Der BDL-Chef spricht von deutlichem Handlungsbedarf. Die Deutsche Bahn war zuletzt pünktlicher als die Flieger: 64,1 Prozent aller Züge fuhren nach Fahrplan – im langjährigen Vergleich ein sehr schwacher Wert.

« Zurück | Nachrichten »