Zwei auf einen Streich

Finanzminister Wolfgang Schäuble öffnet die Union im Familien- und Steuerrecht für die Zukunft

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Von Hannes Koch

10. Mai. 2013 –

Gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern sollen bei der Steuer gegenüber heterosexuellen Familien nicht länger benachteiligt werden. Das hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagen – und trägt dazu bei, das Programm der Union gleich in zweierlei Hinsicht zu modernisieren. Erstens geht es um die umstrittene gesellschaftliche Anerkennung der Homo-Ehe als einen Normalfall des modernen Lebens, zweitens um die Renovierung des Steuersystems, das bisher Ehen begünstigt, in denen der Mann viel, die Frau aber wenig verdient.


Die Gleichstellung der Homo-Ehe

Schwule und lesbische Paare können mittlerweile in Deutschland einen eheähnlichen Bund schließen. Diese Regelung gibt es seit 2001. Einige Vorzüge der traditionellen Ehe werden den Menschen mit „eingetragener Lebenspartnerschaft“ aber teilweise noch verwehrt, unter anderem das steuerliche Ehegatten-Splitting. Das Bundesverfassungsgericht wird demnächst entscheiden, ob diese Unterscheidung zeitgemäß ist oder gegen das Grundgesetz verstößt. Währenddessen hat die Parteiführung der CDU auf Druck der bayerischen CSU kürzlich entschieden, den Spruch des obersten Gerichts abzuwarten und bis dahin keine eigene Initiative zur weiteren Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare zu unternehmen. Die FDP, aber auch die Opposition kritisieren diese konservative Haltung der Union. Mit seinem Vorstoß versucht Finanzminister Schäuble nun, seine Partei aus der Konservatismus-Falle zu befreien.


Der Familienbegriff ändert sich

Gleichzeitig plädiert Schäuble dafür, das steuerliche Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting umzubauen. Die Botschaft: Die steuerlichen Vorzüge sollen zunehmend den Menschen zugute kommen, die Kinder aufziehen. Darin kann man einen Bedeutungsverlust der traditionellen Ehe sehen – und eine Hinwendung ausschlaggebender CDU-Politiker zu einem offeneren Familienbegriff. Familie würde dann stärker durch die Verantwortung für Kinder definiert, weniger durch das Sakrament der Ehe. Ob auch Partner ohne Trauschein, die Kinder aufziehen, in den Genuss des Familiensplittings kämen, ist noch nicht klar. Bisher handelt es sich um theoretische Debatten. Konkret wird die Politik wohl erst nach der Bundestagswahl. Festzuhalten bleibt: Der einflussreiche Finanzminister unterstützt die Reformerinnen in der Union um Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Diese will das neuartige Familiensplitting auch für Paare ohne Trauschein einführen.


Das umstrittene Ehegattensplitting

Das heutige Steuersystem funktioniert grundsätzlich so: Auf die Einkommen von alleinlebenden oder nicht verheirateten Berufstätigen erheben die Finanzämter Steuerabsätze ab 14 Prozent. Je höher der Verdienst liegt, desto mehr steigt die Belastung. Wer viel einnimmt, zahlt auch viel – bis zu 45 Prozent ihrer zusätzlichen Einkommen müssen die Steuerpflichtigen abgeben. Bei verheirateten Paaren wird dieses Prinzip jedoch teilweise außer Kraft gesetzt. Verdient beispielsweise der Mann viel und die Frau wenig, werden beide Verdienste zusammengerechnet und durch zwei geteilt.


Gegenwärtige Vor- und Nachteile für Verheiratete

Die gutverdienenden Ehepartner – früher und auch heute oft noch die Männer – entrichten infolge des Ehegattensplittings geringere Steuersätze im Vergleich zur isolierten Berechnung. Die schlechtverdienenden Partner – nicht selten die Ehefrauen – müssen ihre niedrigen Einkommen jedoch höher versteuern als bei individueller Betrachtung. Das Ergebnis: Weil auf die schlechten Verdienste höhere Steuern erhoben werden, haben viele verheiratete Frauen wenig Anreiz, mehr zu arbeiten. Dies mag dazu beitragen, das das traditionelle Mann-Frau-Rollenmuster fortdauert, beklagen die Kritiker. Das wichtigste Argument der Befürworter der heutigen Form des Ehegattensplittings lautet hingegen: Die Ehe ist ein gemeinsamer Wirtschaftsbetrieb. Der gutverdienende Partner muss den schlecht verdienenden Partner finanzieren und ist deshalb nicht mehr so leistungsfähig. Das rechtfertige den niedrigen Steuersatz, sagen die Befürworter.


Was das Ehesplitting heute finanziell bedeutet

Lüder Gerken, der Vorsitzende der Stiftung Ordnungspolitik in Freiburg, macht eine Beispielrechnung auf. Ein Ehepaar mit 70.000 Euro gemeinsamen Jahreseinkommens zahle mit der gegenwärtigen Splittingregel 15.266 Euro Steuer. Fiele die Splittingregel weg, würden bis zu 18.770 Euro fällig - laut Gerken eine „Steuererhöhung um satte 23 Prozent“. Wie das künftige Familiensplitting aussieht, ist bislang allerdings nicht klar. Das Bundesfinanzministerium kalkuliert zur Zeit verschiedene Varianten. Ein mögliches Ergebnis: Weil die Finanzminister nicht Milliarden Euro verlieren wollen, die zusätzliche Kinderförderung aber auch Geld kostet, muss die bisherige steuerliche Begünstigung geringer ausfallen. Unter anderem kinderlose Paare werden mehr an den Staat zahlen.


Die Alternative – das Familiensplitting

Frankreich gilt als ein Vorbild für dieses Modell. Dabei wird das gemeinsame Einkommen eines Ehepaares grundsätzlich nicht halbiert, sondern auch die Zahl der Kinder spielt eine Rolle. Bei einer vierköpfigen Familie könnte man den Verdienst beispielsweise durch drei teilen. Dadurch lassen sich Kinder bei der Steuerberechnung potenziell besser berücksichtigen als beim Ehegattensplitting. Jedoch könnte man dieses Ergebnis auch mit Freibeträgen erzielen, wie sie hierzulande teilweise üblich sind. Die Kritiker argumentieren, dass bei dieser Form des Familiensplittings die Benachteiligung der schlecht verdienenden Ehefrau grundsätzlich erhalten bleibe, wenn auch weniger stark.


Die radikale Variante: Individualbesteuerung

Beispielsweise Schweden, die Niederlande und Österreich machen es anders. Dort gibt es keine Verteilung individueller Verdienste auf die Mitglieder einer Familie. Jeder Berufstätige zahlt alleine den individuellen Steuersatz auf das jeweilige Gehalt. Leben Kinder im Haushalt, so werden sie mittels Freibeträgen oder Steuerabzügen einberechnet. Damit gehen mehrere Vorteile einher: Weil Frauen einen höheren Anreiz haben zu arbeiten, dient die Individualbesteuerung der Gleichberechtigung. In der Folge nimmt das Wirtschaftswachstum zu, weil die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Die entscheidenden Nachteile: Für Gutverdiener wächst die Steuerbelastung mitunter stark. Die FDP lehnt solche Modelle deshalb ab. SPD, Grüne und Linke fordern dagegen Varianten der Individualbesteuerung.


Was die Opposition will

Man könne das Ehegattensplitting nicht einfach abschaffen, heißt es bei der SPD. Schließlich schütze das Grundgesetz diese Lebensform. Für bereits geschlossene Ehen soll das Splitting deshalb weiter gelten. Für neue Eheverträge dagegen will die SPD „einen Partnerschaftstarif einführen, bei dem beide Partner individuell besteuert, die gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen aber berücksichtigt werden“, heißt es im Entwurf des Regierungsprogramms. Für die Grünen sagt deren frauenpolitische Sprecherin Katja Dörner, man befürworte eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag des nicht arbeitenden Partners auf den Ernährer. Dieses Modell solle für alle gelten und schrittweise eingeführt werden.

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