Zweierlei Maß bei Steueroasen

Bundesregierung versucht, Steueroasen auszutrocknen. Trotzdem finden Kapitalbesitzer viele Möglichkeiten, Geld zu verstecken

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Von Hannes Koch

04. Apr. 2013 –

Über den Lebenskünstler und Millionenerben Gunter Sachs wird gesagt, dass er und seine Frau Brigitte Bardot nach dem 2. Weltkrieg quasi im Alleingang die deutsch-französischen Beziehungen repariert hätten. Aber er hat auch hart an der Mehrung seines Kapitals gearbeitet – möglicherweise nicht immer legal. Sachs´ Name steht nun im Zusammenhang mit einem Netzwerk internationaler Steuerhinterziehung. Entsprechende Informationen wurden Zeitungen zugespielt, die sie am Donnerstag veröffentlichten.


Angeblich geht es um 130.000 Personen in 170 Ländern. Die Fülle der Informationen ist neu, das Thema ist es nicht. Schon in den 2000er Jahren, intensiv seit Ausbruch der Finanzkrise 2007, arbeiten Regierungen – auch in Berlin – daran, die illegalen und verdeckten Kapitalströme in sogenannte Steueroasen einzuschränken. Was hat die Bundesregierung seitdem geleistet, was haben die Gesetze bewirkt?


Internationaler Druck

Der finanzielle Schaden durch Kapitalflucht in Steueroasen wie Liechtenstein, die Schweiz, die britischen Kanalinseln oder die Kaiman-Inseln in der Karibik war und ist immens. Alleine dem deutschen Staat gehen dadurch jährlich schätzungsweise mehr als 100 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren, der Europäischen Union mehrere hundert Milliarden. Banken, Firmen, Reiche, aber auch normale Bürger lassen Einkommen oder Vermögen am Finanzamt vorbei in Länder schaffen, wo das Geld auf anonymen Konten verborgen wird. Die zweite Gefahr: Ein Teil des Kapitals finanziert risikoreiche Geschäfte, die im Zuge der Finanzkrise zur Bedrohung der Weltwirtschaft wurden.


Deshalb entwarf die Gruppe der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) unter Beteiligung Deutschlands ab 2008 auch ein Programm zur Eindämmung von Steueroasen. Basis ist dabei der internationale Standard der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Auf dieser Grundlage schloss die Bundesregierung beispielsweise Steuerabkommen mit Liechtenstein, den Kaiman-Inseln und den Cook-Inseln, die jetzt auch bei Sachs-Geschichte eine Rolle spielen. Die Mini-Länder sichern jeweils zu, Informationen über Steuerflüchtige herauszurücken, wenn die deutschen Finanzämter das möchten. Tun die Steueroasen dies nicht, kann die Bundesregierung Sanktionen einleiten. Nach Information des Bundesfinanzministeriums sind derzeit aber alle fraglichen Länder auskunftsbereit. Nach offizieller deutscher Definition gibt es also keine Steueroasen.


Beispiel Kaiman-Inseln

Viele Experten und Verbände sehen das anders, beispielsweise der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick: „Eine Steueroase wie die Kaiman-Inseln kann auch heute weiter genutzt werden. Das zentrale Problem sind die dort ansässigen anonymen Unternehmen.“ Das alte Verfahren funktioniert demnach noch immer: Deutsche Kapitalbesitzer lassen Firmen gründen, die einen Fantasienamen tragen und von irgendeinem Mittelsmann geleitet werden. Der Name des Kapitalgebers taucht nicht auf. Dann kann das deutsche Finanzamt lange nachfragen und erfährt trotzdem nichts. Deshalb fordert Schick: „Wir brauchen in jedem Land Unternehmensregister, die dem deutschen Handelsregister entsprechend Informationen zu den Unternehmen öffentlich machen.“


Lukrative Modelle

Solche Verbesserungen international durchzusetzen, ist aber sehr schwer. Denn beispielsweise die USA messen mit zweierlei Maß. Einerseits gehen sie hart gegen Steuerflucht in die Schweiz vor, andererseits leisten sie sich eine Steueroase auf eigenem Territorium – den Bundesstaat Delaware. Das ist der Badestrand der Hauptstadt Washington. Großbritannien toleriert Steuerflucht in die abhängigen Überseeterritorien, etwa die Britischen Jungferninseln, die Kaiman-Inseln oder Jersey und Ilse of Man im Kanal. Die Logik: Die heimischen Finanzzentren New York und London profitieren, wenn man Investoren lukrative Steuergestaltungsmöglichkeiten in befreundeten Territorien anbieten kann.


Fortschritte in Europa

Hier sind die Regierungen in den vergangenen zehn Jahren aber schon erheblich vorangekommen. Die geltende europäische Zinssteuerrichtlinie schreibt vor, dass die Staaten Informationen über die Konten der Staatsbürger des jeweils anderen Landes übermitteln. Ausnahmen machen nur noch Österreich und Luxemburg. Ein weiteres Thema sind die außergewöhnlich niedrigen Steuersätze, die manche Staaten wie Zypern, erheben. Auch diese wirken als Anreiz zur Steuerflucht. Bemühungen zur Vereinheitlichung der Steuerbelastung haben bislang zu keinem durchschlagenden Erfolg geführt.

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